Romanze in Moll:
LA FRUSTA E IL CORPO

Mitte des 19. Jahrhunderts, irgendwo in Europa: Die Handlung führt uns in ein düster-desolates, an einem alptraumhaften Caspar-David-Friedrich-Strand gelegenes Schloß: Hier residiert - gemeinsam mit seinem Sohn Christian, dessen Frau Nevenka und seiner Nichte Katia - der alte Graf Menliff.
Eines Abends kehrt überraschend Kurt, der verstoßene und enterbte (und durch und durch verdorbene) ältere Sohn des Grafen ins Schloß zurück. Kurt wird der Selbstmord der Tochter der Haushälterin Giorgia angelastet, die sich erdolchte, nachdem dieser sie entehrt und dann verlassen hatte.
Der Empfang im Schloß ist nicht gerade herzlich und die Verwandschaft wenig begeistert, dennoch wird Kurt Menliff erlaubt im Schloß zu bleiben. Schon am nächsten Morgen macht Kurt seinem schlechten Ruf wieder alle Ehre: Erst belästigt er Katia, der er auf den Kopf zusagt, daß sie unsterblich in seinen Bruder Christian verliebt sei und daß er es auf dessen Frau Nevenka abgesehen habe. Im Anschluß verlangt er von seinem Vater, ihn wieder als Erben für Titel und Besitz einzusetzen, was der alte Graf jedoch empört ablehnt. Der durch diesen Mißerfolg gereizte Kurt beschließt, sich bei einem Ausritt abzureagieren und entdeckt dabei am Strand die grübelnde Nevenka. Kurt kommt unverhohlen zur Sache: Er erwähnt ihre gemeinsame Zeit in der Vergangenheit und es wird klar, daß ihre Beziehung schon immer etwas weiter ging, als die gängigen Konventionen es zulassen würden. Nevenka, die eine seltsame Mixtur aus Abscheu und (offenkundig sexueller) Faszination für ihn empfindet, will schon fast seinen Annäherungsversuchen nachgeben, doch plötzlich besinnt sie sich eines besseren und verpaßt Kurt mit ihrer Reitpeitsche einen Hieb ins Gesicht. Kurt nimmt dies sehr gelassen auf und interpretiert den Hieb offenichtlich als einladende Geste; mit einem süffisanten Grinsen nimmt er Nevenka die Peitsche und beginnt sie zu schlagen: "You haven't changed, you always loved violence." Eine scheinbar zynische Bemerkung, die jedoch anhand ihrer Reaktionen auf Kurts Schläge nicht völlig unzutreffend erscheint, denn diese drücken bei weitem nicht nur Schmerz aus. Schließlich wirft Kurt die Peitsche beiseite und nähert sich der inzwischen völlig verklärt wirkenden Nevenka in eindeutiger Absicht - Abblende...

Nach diesem Intermezzo kehrt Kurt heim ins väterliche Schloß. Als Christian und Katia sich nach Nevenka erkundigen, bestreitet er natürlich jedes Wissen um ihren Verbleib, was ihm allerdings niemand so recht abnehmen mag, zumal er Nevenkas Peitsche bei sich trägt. Schließlich zieht Kurt sich in sein Gemach zurück, wo ihn prompt der Lohn für seine Missetaten ereilt: Von unsichtbarer Hand wird ihm ein Dolch in die Kehle gestoßen - die gleiche Waffe, mit der einst Giorgias Tochter Selbstmord beging.
Zwischenzeitlich wird Nevenka ohnmächtig am Strand aufgefunden. Im Schloß ist man irritiert von den blutigen Malen, die sich über ihren Rücken ziehen und Christian schickt erbost den Diener Losat los, um Kurt herbeizuholen, doch natürlich findet dieser nur noch dessen Leiche.
Doch mit Kurts rätselhaftem Tod (den eigentlich niemand wirklich bedauert, außer - überraschenderweise - Nevenka) zieht noch kein Frieden in das alte Gemäuer ein. Kurz nach Kurts Beerdigung wird der alte Graf erdolcht in seinem Bett aufgefunden. Die ohnehin schon bröckelnde Fassade der Familie beginnt endgültig zu wanken - Familienmitglieder und Dienstboten beginnen sich gegenseitig zu verdächtigen und Giorgia entdeckt in Katias Bett versteckt die Mordwaffe: Es ist wieder jener Dolch, durch den einst schon ihre Tochter umkam.
Auch Nevenkas nervlicher Zustand wird immer bedenklicher. Die Erinnerung an Kurt beginnt zunehmend von ihr Besitz zu ergreifen, sie wird von Alpträumen geplagt, beginnt seltsame Fußabdrücke im Schloß zu entdecken und wird nachts von dem Geräusch einer knallenden Peitsche verfolgt. Auch ihre Ehe mit Christian erscheint immer kränkelnder: Als sie ein Gespräch zwischen ihrem Mann und Katia belauscht erfährt sie, daß Christian in Wahrheit immer noch seine Cousine liebt und Nevenka - außer Mitleid - nicht sonderlich viel Gefühl entgegenbringt.

Des Nachts hat Nevenka Visionen von Kurt, der geisterhaft mit seiner blutigen Bandage um den Hals durch ihr Fenster starrt und in ihr Gemach eindringt. Sie erzählt Christian davon, doch der behandelt seine Frau wie ein neurotisches Kind und beginnt sich immer mehr von ihr zu distanzieren. Schließlich erscheint ihr eines Nachts abermals Kurt, versichert ihr seine (wohl im wahrsten Sinne des Wortes) unsterbliche Liebe und es wiederholt sich in Nevenkas Schlafgemach die Szene vom Strand...
Am nächsten Morgen wird Nevenka mit Fieber, zerrissenem Nachthemd und blutigen Wundmalen in ihrem Bett aufgefunden - sind dies tatsächlich nur die alten, immer wieder aufbrechenden Narben? Zumindest Christian ist dieser Meinung, doch als Nevenkas Verhalten in der Folge immer seltsamer wird und man sie schließlich sogar in Kurts Gruft eingeschlossen entdeckt, ist selbst er nahe daran, an einen Geist zu glauben. Um endlich sicherzustellen, ob Kurt tatsächlich tot ist, wird dessen Grab geöffnet, in dem man natürlich nichts weiter findet, als die nicht mehr sehr ansehnlichen Überreste des Toten. Doch dem Spuk im Schloß soll ein für allemal ein Ende bereitet werden und man beschließt, die sprichwörtliche reinigende Kraft des Feuers zu nutzen und den Leichnam zu verbrennen. Während dieser Prozedur erschallt plötzlich ein gespenstisches Gelächter und eine finstere Gestalt flüchtet aus der Gruft. Christian verfolgt die Erscheinung, kann sie stellen und entdeckt zu seiner Überraschung, daß es sich um niemand anders als Nevenka handelt, die sich in Kurts Kleider gehüllt hat. Es stellt sich heraus, daß sie Kurt getötet und sich in ihrem Wahn schließlich später selbst mit ihm identifiziert hat: So ermordete sie auch den Grafen, um sich (d. h. Kurt) für die erlittenen "Ungerechtigkeiten" zu rächen, inszenierte die ganzen seltsamen Vorfälle und brachte sich auch selbst die Wunden bei.
Nevenka kann vor ihrem Mann zurück in die Gruft fliehen, wo ihr ein letztes Mal Kurt erscheint: Während sie sich zum Abschied umarmen, erdolcht Nevenka ihren (Phantom-)Geliebten ein zweites Mal und tötet somit sich selbst - Christian und Losat, die die Szene fassungslos beobachten, sehen nur, wie sie eine unsichtbare Gestalt liebkost und sich schließlich selbst die Waffe in den Leib stößt...

Der abermals ziemlich dümmliche deutsche Verleihtitel Der Dämon und die Jungfrau mag, ebenso wie einige der damaligen reißerisch aufgemachten Filmplakate, falsche Assoziationen wecken - die plakative Zurschaustellung eines gepeitschten Frauenkörpers ist durchaus nicht das Thema in La frusta e il corpo. Der Film erzählt ein, im gotischen Schauerambiente angesiedeltes, seltsam schönes, phantastisches Drama um Wahnsinn und Sadomasochismus, in dem die klassischen Horrorelemente Sex und Tod eine ähnlich gelungene Symbiose eingehen wie in Riccardo Fredas berüchtigtem Nekrophiliethriller L'orribile segreto del Dottore Hichcock (für dessen Drehbuch übrigens ebenfalls Autor Ernesto Gastaldi verantwortlich war).
Die düster-unwirklichen Farben, die den Anfang des Films dominieren, erinnern durchaus an Roger Cormans The Pit and the Pendulum. Den ganzen Film hindurch schwelgt Bava in dieser traumhaften, gotischen Atmosphäre, perfektioniert diese jedoch noch durch eine Reihe unglaublich virtuoser Beleuchtungstricks - die Farben werden hier zu einem eigenen Ausdrucksmittel, zu einer Sprache, und die Ausdruckskraft dieser Bildsprache wird durch Carlo Rustichellis wunderbare Musik (dessen Windsor Concerto hier als immer wiederkehrendes, mehrfach variiertes Leitmotiv fungiert) noch intensiviert und vervollkommnet.
Neben der technischen Perfektion beeindruckt La frusta... auch mit seinen Besetzung, so wirken z. B. die wunderbare Harriet White (eine amerikanische Charakterdarstellerin, die in zahlreichen italienischen Horrorfilmen der 60er Jahre mitwirkte) und Luciano Pigozzi, der "italienische Peter Lorre", dessen Präsenz geradezu zu einem Kennzeichen des damaligen Italohorrors wurde, in der Rolle der Dienstboten Giorgia und Losat mit.
Mit Christopher Lee schließlich, dessen Popularität seit dem 1958 entstandenen Hammerklassiker Dracula garantiert war und der zwei Jahre zuvor in Ercole al centro della terra erstmals unter Bavas Regie agierte, kann der Film einen Hauptdarsteller von internationalem Format aufweisen.
Der eigentliche Star des Films jedoch ist die damals 20jährige israelische Schauspielerin Daliah Lavi (eigentlich Daliah Lewinbuk). Lavi, die ursprünglich als Fotomodell arbeitete und 1959 parallel eine Karriere als Schauspielerin startete (sie wirkte u. a. in der James Bond-Persiflage Casino Royale mit und absolvierte eine beeindruckende schauspielerische Leistung in Brunello Rondis Besessenheitsdrama Il demonio), wurde in Deutschland in den 70er Jahren vor allem als Schlagersängerin populär. Für La frusta... war sie das perfekte Gesicht, die perfekte Nevenka und mit ihrem dunklen Charisma zugleich der perfekte Gegenpart zu der weitaus "diesseitiger" wirkenden Katia-Darstellerin Isli Oberon.

Nun stellt Sadomasochismus - gemessen am konventionellen Standard - selbst heute noch eine Thematik dar, an der sich selbsternannte Moralisten gern erhitzen; im Jahr 1963 war ein solches Konzept jedoch mehr als gewagt. So verwundert es auch wenig, daß die Produzenten, kurz nachdem La frusta... in den Kinos angelaufen war, prompt von einem empörten Kinobesucher wegen der "Obszönität" des Films verklagt wurden. Die Klage wurde allerdings abgewiesen.
In La frusta e il corpo gelang es Mario Bava, das Thema auf eine zugleich höchst ästhetisierte wie verstörende und psychologisch komplexe Art zu verarbeiten, ohne dabei jemals moralisch zu bewerten oder sich, was einfach gewesen wäre, in Exploitationbereiche zu begeben. Zwar muß Nevenka - aufgrund der herrschenden gesellschaftlichen Konventionen - an ihrer Leidenschaft scheitern und zugrunde gehen, doch wird sie im gesamten Film niemals als "krank" oder "pervers" denunziert und ist vor dem Hintergrund der verrotteten und heuchlerischen Sippe der Menliffs sogar eigentliche Sympathieträgerin der Geschichte. Kurt selbst mag zwar durchaus sinnliche Emotionen bei seinen Intermezzi mit Nevenka empfinden, doch dabei bleibt es dann auch schon. Wie Nevenka ist auch er ein Individualist, der nicht in seine Umwelt paßt, doch erscheint er in erster Linie auf seinen eigenen Vorteil bedacht und weitgehend frei von ethischen Bedenken, die sein Handeln beeinflussen bzw. bremsen könnten. In seinem kompromißlosen Egoismus wirkt er allerdings ehrlicher als der Rest seiner Familie.
Die Szenen, in denen Kurt Nevenka auspeitscht, sind in einem irritierend romantischen Stil gefilmt und sorgen somit zugleich für eine Verwirrung des konventionell denkenden Zuschauers, der sich (obgleich evt. empört von dem, was er sieht) schwerlich dem Reiz dieser Bilder entziehen kann und so mit einer völlig anderen Facette seiner selbst konfrontiert wird. In den zensierten Fassungen des Films wurden die Sequenzen, in denen Nevenka sich ganz offensichtlich Kurt hingibt und unverhohlen dessen "Zärtlichkeiten" genießt, entfernt. Somit wurde auch die ganze Handlung verfälscht und aus der hier erzählten bizarren Romanze wurde die Story eines Opfers, das von einem Sadisten terrorisert wird.
Der moralisch konservative Voyeur kann im konservativen Horrorfilm Folterungen, Verstümmelungen u.v.m. jederzeit akzeptieren, da sie dort in einem "moralisch korrekten" Rahmen, also als Untaten eines (am Ende natürlich adäquat grausam zu bestrafenden) Schurken präsentiert werden. In La frusta... verhält es sich jedoch völlig anders.
Nevenka ist - obwohl Opfer sowohl ihrer eigenen Wahnvorstellungen wie Gefangene gesellschaftlicher Zwänge - nichtsdestotrotz eine ausgesprochen starke Persönlichkeit. Und so wird der dominante Kurt Menliff für Nevenka schließlich zu einem Objekt, das sie benutzt um ihre Phantasien Gestalt annehmen zu lassen.

Ein zentrales Thema - das sich durch viele von Bavas Filmen zieht und bereits sein Debüt La maschera del demonio kennzeichnet - ist die systematische Zerstörung der Familieneinheit, hier anhand der Menliffs vor Augen geführt.
Der alte Graf Menliff, der schwerkrank an sein Bett gefesselt und eigentlich nur noch der Schatten einer einstigen aristokratischen Macht ist, leidet stellvertretend für den Niedergang seines Hauses.
Kurt, dessen Leben von Gewalt geprägt war, stirbt eines gewaltsamen Todes. Die blutbefleckte Binde um seinen durchbohrten Hals erscheint wie ein leuchtendes Stigma, wenn sein "Geist" nachts Nevenka erscheint - eine große, finstere Gestalt, an der sofort jenes leuchtend weiß-rote "Zeichen" ins Auge fällt: In Nevenkas dunklem, nur von vereinzelten gespenstischen farbig-flackernden Lichtern erhellten Zimmer tritt er aus dem Dunkel wie ein Dämon aus ihrem eigenen Selbst (was er ja offensichtlich aus ist). Sein Gesicht und seine Hände - geisterhaft grün ausgeleuchtet - werden alptraumhafte Fixpunkte.
Nevenka schließlich, die sich ihrer eigenen Begierden und sexuellen Phantasien sehr wohl bewußt und damit ihrer Zeit voraus ist (was sie jedoch keineswegs glücklicher macht), kann das Wissen um ihr masochistisches Naturell jedoch nicht ertragen und scheitert daran. Nevenka ist eine Verlorene - gefangen in einer scheintoten Ehe und verborgenen sexuellen Obsessionen. Die scheinbare Heimsuchung durch Kurt ist in Wahrheit nichts anderes, als die Gestaltwerdung eines geleugneten Selbst, an dem Nevenka letztendlich zerbrechen muß. Die Flucht in den Wahnsinn und letztendlich in den Tod ist als Erlösung ist unvermeidlich. Das Ende bleibt offen, der Interpretation des Betrachters überlassen: Entspringt wirklich alles nur Nevenkas Wahn oder gab es wirklich einen Geist...?

Ein verbreiteter Irrtum ist übrigens, daß Mario Bava diesen Film aufgrund der brisanten Thematik unter Pseudonym drehte. Tatsächlich verhielt es sich so, daß die Produzenten ihm dies aus absatzfördernden Gründen nahelegten und ihm vorschlugen, einen "alten amerikanischen Namen" zu wählen. Bava nahm dies wörtlich und ließ sich in den Credits als John M. Old listen, ein Pseudonym unter dem er ein Jahr darauf auch noch den Western La strada per Fort Alamo drehte.

© Thomas Wagner
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Daten zum Film:

LA FRUSTA E IL CORPO
(weitere Titel: LE CORPS ET LE FOUET, DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU, DIE MÖRDER VON SCHLOSS MENLIFF, WHAT!, THE WHIP AND THE FLESH)
Italien/Frankreich 1963, Farbe
Regie: Mario Bava (als John M. Old)
Buch: Ernesto Gastaldi, Luciano Martino, Ugo Guerra
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Ubaldo Terzano
Musik: Carlo Rustichelli
Schnitt: Mario Serandrei
Darsteller: Daliah Lavi (Nevenka), Christopher Lee (Kurt), Luciano Stella (Christian), Gustavo De Nardo (Graf Menliff), Luciano Pigozzi (Losat), Harriet White (Giorgia), Isli Oberon (Katia)


Externe Links:

B-Movies: Sehr schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Sense of View: Review (deutsch)
The Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth



Veröffentlichungen:

DVD:
- WHIP AND THE BODY, VCI Home Video (USA)
- DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU, e-m-s (Deutschland)
- LE CORPS ET LE FOUET, Mad Movies/One Plus One (Frankreich)

VHS:
- WHIP AND THE BODY, VCI Home Video (USA)
- DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU, SK Video (Deutschland), nicht mehr erhältlich - diese Fassung ist gekürzt!