Mit Stil auf Sand gebaut:
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Mario Bava selbst schätzte Cinque bambole... nicht besonders,
er bezeichnete ihn sogar einmal als seinen "schlechtesten"
Film (eine Äußerung, die man jedoch nicht zu ernst nehmen
sollte, denn seine schwächsten Regiearbeiten lassen sich eindeutig
in seinen drei Western finden). Der einzige Grund, dieses Projekt überhaupt
zu realisieren, war - laut Bava - Geld sowie die Tatsache, daß
er in diesem Fall ausnahmsweise im Voraus bezahlt wurde. Von den Produzenten
mit dem Auftrag quasi überfahren ("Sie bezahlten mich am
Samstag und wir begannen am Montag mit den Dreharbeiten" so
Bava), blieb ihm keinerlei Zeit zum ausführlichen Studium des Drehbuchs,
geschweige denn dazu, dieses seinen Vorstellungen gemäß abzuwandeln.
Die hier erzählte Geschichte ist im Grunde nichts anderes als ein
Aufguß von Agatha Christies 10 Little Indians (ein Stoff
den Bava übrigens haßte) und präsentiert sich als ein
leidlich unausgegorenes Durcheinander, in dem sich allerdings durchaus
ein paar vielversprechende Ansätze finden lassen.
Recht interessant ist z. B. die Interaktion der agierenden Charaktere:
So läßt Nick Channing zwar keine Gelegenheit aus, seine leichtlebige
Frau Marie zu beleidigen, hat andererseits aber durchaus nichts dagegen,
wenn diese mit anderen Männern ins Bett geht, um ihm einen Vorteil
zu verschaffen. Jill Stark sucht - der lieblosen Behandlung durch ihren
geldgierigen Millionärsgatten müde - vergeblich Trost bei
ihrer früheren Geliebten Trudy Farrell. Diese wiederum kassiert
nebenbei von den anderen Gästen Schecks in Millionenhöhe,
um ihnen die Formel ihres Mannes auszuhändigen. Natürlich
tut sie dies nicht, in Wirklichkeit steckt sie gemeinsam mit ihrem Mann
(der den wahren Erfinder der Formel auf dem Gewissen hat) und Jack Davidson
hinter den Morden, fällt letztendlich jedoch ebenso wie ihre Komplizen
ihrer eigenen Gier zum Opfer. Doch leider funktionieren all diese komplexen
Konstellationen nur ansatzweise, vieles wirkt einfach zu konstruiert,
die Figuren besitzen wenig Eigenleben und bleiben für den Zuschauer
nur fragmentarische Schemen.
Mit wenigen Ausnahmen vermag auch die Besetzung in Cinque bambole...
nicht so recht zu überzeugen, allerdings kann man den Darstellern
anhand der chaotischen Umstände auch keinen großen Vorwurf
daraus machen. Lobend zu erwähnen wären in erster Linie Teodore
Corrá, Maurice Poli und natürlich Edwige Fenech, die leider
viel zu früh die Aufmerksamkeit des Killers weckt und sich somit
aus dem Geschehen verabschieden muß. Fenech, die u. a. durch ihre
Hauptrollen in Sergio Martinos Gialloklassikern Lo strano vizio della
Signora Wardh und Tutti i colori del buio zu einer Ikone
des italienischen Genre-Kinos wurde, hätte auch hier einen größeren
Part verdient. Der Film hätte davon wohl nur profitieren können.
Abseits der erwähnten Mängel besitzt Cinque bambole...
jedoch auch einen unbestreitbaren Reiz und bereitet ein Vergnügen
ganz eigener Art. Warum? Nun, auch wenn Bava diesem Projekt und dem
- seiner Meinung nach - "erbärmlichen" Drehbuch, gelang
es ihm mit seiner Stilsicherheit auch dieses Wirrwarr in geschmackvoll
durchkomponierten Bildern abzulichten und dem ganzen sogar einen gewissen
verrückten Charme zu verleihen. Es gibt die Bava-typischen ungewöhnlichen
Kameraperspektiven, die Ausleuchtung ist exquisit und das Dekor ein
Augenschmaus: Die im schönsten verschwenderischen 70er Jahre Modernismus
gestylte Villa George Starks funktioniert den ganzen Film hindurch als
Blickfang auf dem ansonsten ziemlich öden sonnenbeschienenen Eiland.
Für die stetig dezimiert werdenden (die Morde als solche werden
in Cinque bambole... übrigens nie gezeigt) Protagonisten
wird das Gebäude zu einem Mikrokosmos, zu einer Art Insel auf der
Insel - auch wenn es allen Beteiligten klar ist, daß der Mörder
sich unter ihnen befindet, ziehen sie es doch vor den heimeligen Luxus
des Hauses zu genießen und der Dinge zu harren, die da kommen
werden, anstatt sich blindlings in die mediterrane Botanik zu schlagen.
Mochte Bava sich bei der Arbeit auch noch so sehr gelangweilt haben,
er erkannte die Chancen, die sich ihm hier boten und setzte sie aufs
perfekteste optisch um: Starks moderne Villa wird zu einem Pop Art-Pendant
des klassischen Horroschlosses; jeder Winkel in dem Gebäude lädt
die Kamera dazu ein, liebevoll zu verweilen und als anonymer Voyeur
gelassen dem Treiben der nervenmaroden Bewohner zuzusehen, während
sich im Hintergrund Piero Umilianis grandios kitschiger Lounge Jazz
nachhaltig im Gehörgang festsetzt.
Konfrontiert mit einem schlechten Drehbuch und einem Projekt, das ihm
nicht am Herzen lag, ignorierte Bava schlicht und einfach jegliche Dramaturgie,
nutzte den Film für sich als eine einzige große Stilübung
und würzte das hahnebüchene Treiben mit einem gehörigen
Schuß schwarzen Humors: "Das Drehbuch war ein erbärmlicher
Aufguß von 'Ten Little Indians'. Die einzige persönliche
Note, die ich mir daran erlaubte, war den Helden als Mörder zu
entlarven ... Ich mußte mich ja schließlich irgendwie rächen."
Daten zum Film:
CINQUE BAMBOLE PER LA LUNA D'AGOSTO
(weitere Titel: FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, ISLAND OF TERROR)
Italien 1970, Farbe
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Di Nardo
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Antonio Rinaldi
Musik: Piero Umiliani
Schnitt: Mario Bava
Darsteller: Teodore Corrá (George Stark), Ira Fürstenberg
(Trudy Farrell), Maurice Poli (Nick Channing), Edwige Fenech (Marie
Channing), William Berger (Gerry Farrell), Renato Rossini (Jack Davidson),
Edith Meloni (Jill Stark), Helena Ronée (Peggy), Justine Gall
(Isabelle), Mauro Bosco (Charles)
Externe Links:
The
Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth
Veröffentlichungen:
DVD:
- FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, Image Entertainment (USA)
VHS:
- FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, Redemption Films (UK), nicht mehr erhältlich