Mit Stil auf Sand gebaut:
CINQUE BAMBOLE PER LA LUNA D'AGOSTO

Der schwerreiche Industrielle George Stark lädt eine illustre Runde von High Society-Gästen in seine Villa auf einer einsamen Mittelmeerinsel ein. Unter ihnen ist auch der brillante Chemiker Gerry Farrell, der einen neuen bahnbrechenden Kunststoff entwickelt hat. Es stellt sich schnell heraus, daß Stark und die anderen Gäste es auf diese Erfindung abgesehen haben und einigen der Anwesenden offenbar jedes Mittel recht ist, um an die Formel zu gelangen. Starks Angestellter Charles wird ermordet am Strand aufgefunden. Da er sein Motorboot zurück ans Festland geschickt hat, um Farrell an der Abreise zu hindern, hat Stark nun keine Möglichkeit die Behörden zu informieren. Wegen der herrschenden Hitze wird die Leiche in das Kühlhaus geschafft und, kleidsam in einem Plastiksack verpackt, zu den Fleischvorräten an einen Haken gehängt. Kurz darauf wird auch Farrell ein Opfer des unbekannten Killers, allerdings wird seine Leiche scheinbar in das Meer hinausgespült. Die Morde setzen sich nun mit froher Regelmäßigkeit fort und ein Gast nach dem anderen landet in Starks Kühlhaus, bis schließlich die Wahrheit über das mörderisches Komplott enthüllt wird...

Mario Bava selbst schätzte Cinque bambole... nicht besonders, er bezeichnete ihn sogar einmal als seinen "schlechtesten" Film (eine Äußerung, die man jedoch nicht zu ernst nehmen sollte, denn seine schwächsten Regiearbeiten lassen sich eindeutig in seinen drei Western finden). Der einzige Grund, dieses Projekt überhaupt zu realisieren, war - laut Bava - Geld sowie die Tatsache, daß er in diesem Fall ausnahmsweise im Voraus bezahlt wurde. Von den Produzenten mit dem Auftrag quasi überfahren ("Sie bezahlten mich am Samstag und wir begannen am Montag mit den Dreharbeiten" so Bava), blieb ihm keinerlei Zeit zum ausführlichen Studium des Drehbuchs, geschweige denn dazu, dieses seinen Vorstellungen gemäß abzuwandeln. Die hier erzählte Geschichte ist im Grunde nichts anderes als ein Aufguß von Agatha Christies 10 Little Indians (ein Stoff den Bava übrigens haßte) und präsentiert sich als ein leidlich unausgegorenes Durcheinander, in dem sich allerdings durchaus ein paar vielversprechende Ansätze finden lassen.
Recht interessant ist z. B. die Interaktion der agierenden Charaktere: So läßt Nick Channing zwar keine Gelegenheit aus, seine leichtlebige Frau Marie zu beleidigen, hat andererseits aber durchaus nichts dagegen, wenn diese mit anderen Männern ins Bett geht, um ihm einen Vorteil zu verschaffen. Jill Stark sucht - der lieblosen Behandlung durch ihren geldgierigen Millionärsgatten müde - vergeblich Trost bei ihrer früheren Geliebten Trudy Farrell. Diese wiederum kassiert nebenbei von den anderen Gästen Schecks in Millionenhöhe, um ihnen die Formel ihres Mannes auszuhändigen. Natürlich tut sie dies nicht, in Wirklichkeit steckt sie gemeinsam mit ihrem Mann (der den wahren Erfinder der Formel auf dem Gewissen hat) und Jack Davidson hinter den Morden, fällt letztendlich jedoch ebenso wie ihre Komplizen ihrer eigenen Gier zum Opfer. Doch leider funktionieren all diese komplexen Konstellationen nur ansatzweise, vieles wirkt einfach zu konstruiert, die Figuren besitzen wenig Eigenleben und bleiben für den Zuschauer nur fragmentarische Schemen.
Mit wenigen Ausnahmen vermag auch die Besetzung in Cinque bambole... nicht so recht zu überzeugen, allerdings kann man den Darstellern anhand der chaotischen Umstände auch keinen großen Vorwurf daraus machen. Lobend zu erwähnen wären in erster Linie Teodore Corrá, Maurice Poli und natürlich Edwige Fenech, die leider viel zu früh die Aufmerksamkeit des Killers weckt und sich somit aus dem Geschehen verabschieden muß. Fenech, die u. a. durch ihre Hauptrollen in Sergio Martinos Gialloklassikern Lo strano vizio della Signora Wardh und Tutti i colori del buio zu einer Ikone des italienischen Genre-Kinos wurde, hätte auch hier einen größeren Part verdient. Der Film hätte davon wohl nur profitieren können.

Abseits der erwähnten Mängel besitzt Cinque bambole... jedoch auch einen unbestreitbaren Reiz und bereitet ein Vergnügen ganz eigener Art. Warum? Nun, auch wenn Bava diesem Projekt und dem - seiner Meinung nach - "erbärmlichen" Drehbuch, gelang es ihm mit seiner Stilsicherheit auch dieses Wirrwarr in geschmackvoll durchkomponierten Bildern abzulichten und dem ganzen sogar einen gewissen verrückten Charme zu verleihen. Es gibt die Bava-typischen ungewöhnlichen Kameraperspektiven, die Ausleuchtung ist exquisit und das Dekor ein Augenschmaus: Die im schönsten verschwenderischen 70er Jahre Modernismus gestylte Villa George Starks funktioniert den ganzen Film hindurch als Blickfang auf dem ansonsten ziemlich öden sonnenbeschienenen Eiland. Für die stetig dezimiert werdenden (die Morde als solche werden in Cinque bambole... übrigens nie gezeigt) Protagonisten wird das Gebäude zu einem Mikrokosmos, zu einer Art Insel auf der Insel - auch wenn es allen Beteiligten klar ist, daß der Mörder sich unter ihnen befindet, ziehen sie es doch vor den heimeligen Luxus des Hauses zu genießen und der Dinge zu harren, die da kommen werden, anstatt sich blindlings in die mediterrane Botanik zu schlagen. Mochte Bava sich bei der Arbeit auch noch so sehr gelangweilt haben, er erkannte die Chancen, die sich ihm hier boten und setzte sie aufs perfekteste optisch um: Starks moderne Villa wird zu einem Pop Art-Pendant des klassischen Horroschlosses; jeder Winkel in dem Gebäude lädt die Kamera dazu ein, liebevoll zu verweilen und als anonymer Voyeur gelassen dem Treiben der nervenmaroden Bewohner zuzusehen, während sich im Hintergrund Piero Umilianis grandios kitschiger Lounge Jazz nachhaltig im Gehörgang festsetzt.
Konfrontiert mit einem schlechten Drehbuch und einem Projekt, das ihm nicht am Herzen lag, ignorierte Bava schlicht und einfach jegliche Dramaturgie, nutzte den Film für sich als eine einzige große Stilübung und würzte das hahnebüchene Treiben mit einem gehörigen Schuß schwarzen Humors: "Das Drehbuch war ein erbärmlicher Aufguß von 'Ten Little Indians'. Die einzige persönliche Note, die ich mir daran erlaubte, war den Helden als Mörder zu entlarven ... Ich mußte mich ja schließlich irgendwie rächen."

© Thomas Wagner
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Daten zum Film:

CINQUE BAMBOLE PER LA LUNA D'AGOSTO
(weitere Titel: FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, ISLAND OF TERROR)
Italien 1970, Farbe
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Di Nardo
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Antonio Rinaldi
Musik: Piero Umiliani
Schnitt: Mario Bava
Darsteller: Teodore Corrá (George Stark), Ira Fürstenberg (Trudy Farrell), Maurice Poli (Nick Channing), Edwige Fenech (Marie Channing), William Berger (Gerry Farrell), Renato Rossini (Jack Davidson), Edith Meloni (Jill Stark), Helena Ronée (Peggy), Justine Gall (Isabelle), Mauro Bosco (Charles)


Externe Links:

The Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth


Veröffentlichungen:

DVD:
- FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, Image Entertainment (USA)

VHS:
- FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON, Redemption Films (UK), nicht mehr erhältlich