Urlaubsgrüße vom "Schloß des Teufels":
GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA

Der amerikanische Student Peter Kleist reist zu seinem Verwandten Professor Hummel und dessen Familie nach Österreich um sich von seinem Studium zu erholen und zugleich etwas Ahnenforschung zu betreiben. Besonders sein berüchtigter Vorfahr Baron Otto von Kleist hat es ihm angetan - ein grausamer Sadist, der Hunderte seiner Untertanen zu Tode foltern ließ, bevor ihn selbst das gleiche Schicksal ereilte. Er besucht den alten Stammsitz seines Ahnherren, das "Schloß des Teufels", das gerade in ein Hotel umgebaut werden soll, und trifft dort den Restaurator Professor Dortmundt und dessen junge Assistentin Eva. Beim gemeinsamen Abendessen präsentiert Peter erheitert ein altes Dokument, das er in Amerika unter seinem Familienbesitz gefunden hat: Es ist die Anleitung zu einer Beschwörung, mit der angeblich der tote Baron ins Leben zurück geholt werden kann. Professor Hummel findet dies alles überhaupt nicht komisch und warnt den jungen Kleist davor, das magische Ritual durchzuführen - seltsamerweise scheint auch Gretchen, die Tochter Onkel Karls, mehr über die Angelegenheit zu wissen: obwohl sie noch nie ein Bild von ihm gesehen hat, kann sie den Baron genau beschreiben und behauptet, daß sie ihn schon auf den Zinnen des Schlosses gesehen hat.

Peter Kleist ignoriert jedoch sämtliche Warnungen und macht sich gemeinsam mit Eva auf in das Schloß. Dort nimmt das Unheil bald seinen Lauf: Zwar gelingt die Beschwörung des Geistes erst beim zweiten Anlauf, dummerweise fällt dabei jedoch das Dokument (in welchem auch eine Formel für die Rücksendung des Dämons in die Hölle erwähnt war) in den Kamin und verbrennt. Voll von unguten Ahnungen flüchten Peter und Eva aus dem Schloß.
Der finstere Baron - ein von Brandwunden entstellter wandelnder Leichnam - kehrt also aus dem Totenreich zurück. Nachdem er anfangs noch etwas ratlos stöhnend durch den Wald schlurft, tut er schließlich das naheliegendste: Er sucht einen Arzt auf. Der hilfsbereite Doktor wundert sich zwar arg über die Epidermis des Barons, macht sich jedoch dem hippokratischen Eid gemäß sofort ans Werk und verbindet die Wunden, wofür dieser ihm zum Dank die Kehle durchschneidet. Ein betrunkener Bauer, der wirr lallend durch den nächtlichen Wald spaziert, wird das nächste Opfer. Auch in den folgenden Tagen setzt der Baron sein blutiges Werk fort, so tötet er Professor Dortmundt und im Anschluß Fritz. Danach macht er sich ungestört daran, seinen Schatz aus dem Versteck zu holen...

Nach dem rätselhaften Tod Professor Dortmundts werden die Umbaupläne fallengelassen und das Schloß auf einer Auktion zum Verkauf angeboten. Der neue Besitzer wird ein gewisser Alfred Bekker, ein geheimnisvoller, an den Rollstuhl gefesselter Millionär.
Bekker engagiert Eva, um die diversen im Schloß befindlichen Artefakte zu katalogisieren. Als sie ihm von der Beschwörung und dem Fluch erzählt, reagiert Bekker belustigt, doch schon kurz darauf begegnet ihr - am hellichten Tag übrigens - der Baron im Schloß. Sie flieht entsetzt vor der Erscheinung und nur Peters Eintreffen kann im letzten Moment schlimmeres verhindern. Noch in der gleichen Nacht besucht der Geist Eva in ihrem Studentenwohnheim. Sie kann sich aus dem Zimmer auf die Straße flüchten und es folgt eine fesselnde, grandios inszenierte Verfolgungsjagd durch die nächtlichen Altstadtgassen - das Auftauchen des Barons (einer großen schattenhaften Gestalt mit Hut und wallendem Mantel) in dieser Sequenz wirkt wie eine phantastisch kolorierte Reminiszenz an den Expressionismus des deutschen Stummfilms und weckt zugleich deutliche Assoziationen zu Sei donne per l'assassino und anderen Gialli. Im letzten Moment kann Eva sich zu Karl Hummel flüchten.
Nunmehr endgültig von der Wirksamkeit ihrer Beschwörung überzeugt, beschließen Eva und Peter gemeinsam mit Professor Hummel den Baron wieder ins Jenseits zurückzuschicken. Hummel erwähnt Christina Hoffmann, ein Medium, mit dem er bereits an der Universität zu tun hatte und man beschließt sie um Hilfe zu bitten. Christina Hoffmann zeigt sich anfangs verängstigt und verweigert ihre Mithilfe. Sie erwähnt, daß der Baron nur durch jene, die ihn erweckt haben, wieder zurückgeschickt werden kann. Schließlich präsentiert sie ein Amulett, das einst der Hexe Elisabeth Holly gehört hatte, die eines der vielen Opfer des Barons war. Bei einer Beschwörung gelingt es ihr, den Geist Elisabeths zu befragen - doch noch in der gleichen Nacht wird auch das Medium ein Opfer des Barons.
Am nächsten Tag fällt Gretchen im Wald vor dem Schloß beinahe dem Untoten in die Hände, bevor sie im letzten Augenblick auf ihren Vater und Peter trifft. Ohne Nebel und Mondschein gelang es Mario Bava hier bei sonnigem Tageslicht eine packende, unheimliche Atmosphäre lebendig werden zu lassen: Die Spannung baut sich nur durch die Kameraperspektiven, die Schnittfolge, die effektive musikalische Untermalung und das Schauspiel des italienischen Horror-Kinderstars Nicoletta Elmi (die z. B. auch in Bavas Ecologia del delitto und Dario Argentos Profondo Rosso mitwirkte) auf. Der Geist selbst erscheint nur mit seinen Händen oder als schwarzer Schatten, der sich plötzlich seitlich vor die Kamera schiebt - eine optimale Lösung, denn das Monster-Makeup wäre im strahlenden Sonnenschein wohl eher der Lächerlichkeit preisgegeben gewesen.

Nach diesem Vorfall sucht man Becker auf, der - nachdem ihm davon erzählt wurde - alle für den gleichen Abend auf das Schloß einlädt. Später erzählt Gretchen, daß niemand anders als er der Geist des Barons ist, doch abermals will ihr niemand so recht glauben, wenngleich Professor Hummel allmählich skeptisch wird.
Der abendliche Besuch im Schloß gestaltet sich recht seltsam: Bekker präsentiert einige bizarre Arrangements, die dem Schloß seine authentische Aura widerverleihen sollen: Auf den Schloßzinnen befinden sich gepfählte Leichen, die Folterkammer ist wieder hergerichtet und Schreie vom Tonband sollen für die adäquate Atmosphäre im "Schloß des Teufels" sorgen.
Schließlich (und eigentlich zu niemandes Überraschung mehr) enttarnt Bekker sich selbst. Evas Versuch, ihn mit dem Amulett zu töten mißlingt und selbstverständlich richten auch die Kugeln aus Hummels Revolver nichts gegen ihn aus - wer schon seit Jahrhunderten tot ist, stirbt halt nicht so leicht.
Peter, Eva und und der Professor finden sich schließlich dem Spieltrieb des Barons ausgesetzt in der Folterkammer wieder.
Als Eva sich dort die enstellte Leiche von Fritz entdeckt, läßt sie vor Schreck das Amulett auf den Toten fallen, was mehrere interessante Effekte zur Folge hat: Der Baron windet sich plötzlich in Krämpfen und sein Gesicht zerfällt wieder zu der verbrannten Fratze. Der tote Fritz erhebt sich und stakst steif auf den wimmernden Untoten zu und schließlich bricht eine weitere Kerkertür auf, aus der sämtliche Opfer des Barons hervortaumeln, um sich an ihrem Peiniger zu rächen.
Eva, Peter und Karl Hummel flüchten aus dem Schloß, während Otto von Kleists unmenschliche Schreie durch das Gemäuer gellen. Ein letztes Mal erscheint das schattenhafte Phantom im wallenden Mantel auf den Schloßzinnen, bevor schließlich der Abspann einsetzt.

Betrachtet man nur die Story - ein böser Geist wird in einem gruseligen alten Schloß aus dem Totenreich beschworen und treibt fortan sein Unwesen - so bietet Gli orrori del castello di Norimberga scheinbar nichts Neues und erscheint als eine geradlinige Fortführung typischer italienischer Horror-B-Pictures der 60er Jahre. Was den Film jedoch aus dem Durchschnittsbereich hervorhebt, ist (einmal wieder) Bavas visuelles Talent, das in barocken Bildern geradezu schwelgt und wieder einmal die schönsten Licht- und Schatteneffekte aus der unergründlichen Ausleuchtungs-Trickkiste zaubert. Mit ebensolcher Leichtigkeit wie Perfektion entwirft er hier eine farbtrunkene Alptraumatmosphäre, neblige Nächte in pittoresken Altstadtgassen, durch die Elke Sommer sich vor der bedrohlichen schwarzen Schattengestalt des Barons flüchtet, schwindelerregende Kamerafahrten durch die Säle des Schlosses etc., etc. Das Schloß schließlich, ein Labyrinth aus Stein und Stahl und der klassische Mikrokosmos des gotischen Horrors, kontrastiert hier mit dem ansonsten überraschend modernen, naturalistischen Setting: Die Protagonisten sind moderne Menschen und die österreichische Landschaft - der Großteil des Films wurde in Wien und Umgebung gedreht - präsentiert sich postkartengerecht sonnenüberflutet und alles andere als jenseitig.
Dennoch ist Gli orrori... stilistisch einwandfrei als "gotischer" Horrorfilm einzuordnen, kann zugleich aber auch einige durchaus nicht zimperliche Gore-Einlagen aufweisen. Das Kunstblut wird nicht gerade spärlich eingesetzt: Dem Arzt, den Baron zuerst aufsucht, wird die Kehle durchgeschnitten und Fritz findet sein Ende in einem nagelgespickten Sarg. Baron von Kleist ist (trotz der nicht gerade preisverdächtigen Maske) als wandelnde Brandleiche kein freundlicher Anblick und im Finale des Films ruft Fritz als Zombie mit seinem durchlöcherten Antlitz Erinnerungen an La maschera del demonio wach. Würde jedoch ausschließlich dieser Aspekt Gli orrori... dominieren, so würde der Film bestenfalls als kurzweiliger Trash-Streich in Erinnerung bleiben, denn die genannten Grausligkeiten sind weitaus mehr Grand Guignol-Revue, als wirklich erschreckend.
Doch auch über die Besetzung von Gli orrori... gilt es einige positive Worte zu verlieren. Mit Joseph Cotten - einem Veteran des richtig großen Kinos, der u. a. in The Third Man und Hush...Hush, Sweet Charlotte mitwirkte, und in den frühen 70ern auch in einigen italienischen B-Pictures (u. a. in Mel Welles' Trashklassiker Lady Frankenstein) vor der Kamera stand - kann der Film einen international bekannten Star und exzellenten Schauspieler aufweisen. Überzeugen tut auch "Professor Hummel" Massimo Girotti (er wirkte u. a. auch in Filmen von Roberto Rosselini, Luchino Visconti und Vittorio De Sica mit) und natürlich einmal wieder Luciano Pigozzi, der hier eine zwar kleine, aber feine Rolle als leicht umnachteter Fritz hat. Die gebürtige Berlinerin Elke Sommer, deren Karriere in den 60er Jahren als Starlet in einer Reihe internationaler Produktionen begann (u. a. spielte sie an der Seite von Peter Sellers in in Blake Edwards' grandioser Clouseau-Komödie A Shot in the Dark), ist perfekt in der Rolle Evas. "Seriöse" Kritiker mögen sich vielleicht daran stören, daß ihr ihre Rolle als blickfangende Scream Queen wenig mehr abverlangt, als vor dem Baron davonzurennen und dabei auch noch möglichst attraktiv auszusehen, dies absolviert sie jedoch exzellent und sollte schon in Bavas nächstem Film Gelegenheit zu einer etwas diffizileren Darstellung bekommen.

Gli orrori del castello di Norimberga zählt zu den atmosphärischsten Filmen Mario Bavas und ist zugleich des Maestros letzter Exkurs in gotische Horrorgefilde. In den USA war der Film ein großer Erfolg, allerdings blieb auch er nicht von den obligatorischen Eingriffen des Verleihers AIP verschont, der die Originalmusik wieder einmal durch Les Baxters stereotype Gruseltöne ersetzen ließ.
Produzent Alfredo Leone war mit dem Erfolg von Gli orrori... übrigens so zufrieden, daß er Bava für das nächste Projekt erstmals alle Freiheiten gewährte - es folgte Lisa e il diavolo.

© Thomas Wagner
Bitte beachten Sie das Copyright! Alle Texte auf dieser Website dürfen nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Autors abgedruckt oder wiederverwendet werden (dies gilt auch für Veröffentlichungen im Internet)!




Daten zum Film:

GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA
(weitere Titel: BARON BLOOD, THE TORTURE CHAMBER OF BARON BLOOD)
Italien/Deutschland 1972, Farbe
Regie: Mario Bava
Story und Buch: Vincent Fotre
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Antonio Rinaldi
Musik: Stelvio Cipriani (US-Version Les Baxter)
Schnitt: Carlo Reali
Darsteller: Elke Sommer (Eva), Joseph Cotten (Alfred Becker/Otto von Kleist), Massimo Girotti (Karl Hummel), Antonio Cantafora (Peter Kleist), Dieter Tressler (Herr Dortmundt), Luciano Pigozzi (Fritz), Umberto Raho (Inspektor), Rada Rassimov (Christina Hoffmann), Nicoletta Elmi (Gretchen)


Externe Links:

B-Movies: Sehr schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Sense of View: Review (deutsch)
The Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth
Kinoeye: The Shadow Trickster in Italian horror cinema (English article by James Iaccino)

Trailer:
New York Times (Real + Windows Media)
VideoDetective.com (Windows Media)


Veröffentlichungen:

DVD:
- BARON BLOOD, Image Entertainment (USA)
- BARON BLOOD, e-m-s (Deutschland)
- BARON BLOOD, Control Productions (Australien)
- BARON VAMPIRE, Films sans frontières (Frankreich)
- BARON VAMPIRE, Mad Movies/One Plus One (Frankreich)
- GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA, Raro Video/Nocturno (Italien)

VHS:
- BARON BLOOD, Redemption Films (UK), nicht mehr erhältlich
- BARON BLOOD, Image Entertainment (USA)