Alle guten Dinge sind 3:
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Der elegante Thriller Il telefono läßt sich in seiner
Stimmung und Konzeption durchaus schon als ein Giallo en miniature
bezeichnen. Ein modern eingerichtetes Kellerapartment und ein kühler
jazziger Soundtrack ersetzen hier die Spinnwebästhetik des gotischen
Horrors. Das feuerrote Telefon, das - neben dem barock anmutenden Bett
Rosys - immer mehr zum zentralen Einrichtungsgegenstand wird, ist zugleich
Quelle des Terrors und die scheinbar einzige Verbindung zur Außenwelt.
Die Flucht aus der Wohnung als logische Konsequenz erscheint dem Betrachter,
der schnell genau wie Rosy zu einem Gefangenen des Geschehens wird,
irreal, ja wird nicht einmal mehr in Betracht gezogen. Doch diese dramaturgische
Unlogik ist hier - genau wie in vielen herausragenden Gialli - einfach
nur nebensächlich. Die Episode lebt von der gekonnt aufgebauten
Spannung und enthält zugleich einige Elemente, die typisch für
viele von Bavas Filmen werden sollten: Es gibt keine Heldenfigur, die
agierenden Personen sind keine typischen Identifikationsfiguren und
erscheinen eher undurchsichtig, Sex und Gewalt werden (auch ohne graphische
Deutlichkeit) zu zentralen Themen und auf ein erwartungsgemäßes
Happy End wird verzichtet.
Es folgt die Episode Il Wurdalak, die uns in das frühe 19.
Jahrhundert, in die unwirtliche Landschaft der Karpaten führt:
Der junge Edelmann Vladimir D'Urfe gelangt auf seiner Reise durch das
Gebirge zu einem einsam gelegenen Gehöft. Die dort lebende Familie
wartet voller Angst auf die Rückkehr ihres Oberhaupts, des alten
Gorka, der in die Berge zog, um den berüchtigten Räuber Ali
Bek zu töten, der in dem Ruf steht ein Wurdelak, ein Vampir,
zu sein. Gorka gab strikte Anweisungen, nicht länger als fünf
Tage auf seine Rückkehr zu warten. Sollte er erst nach Ablauf dieser
Zeit heimkehren - seine Frist läuft genau um Mitternacht ab -,
dürfe seine Familie ihn auf keinen Fall mehr einlassen, da er sich
dann selbst in einen Wurdelak verwandelt habe. Wenige Minuten nach Mitternacht
trifft Gorka mit dem abgeschlagenen Kopf Ali Beks auf dem heimischen
Hof ein und trotz seiner vorherigen Warnungen gewährt seine Familie
ihm Einlaß. Der alte Patriarch erscheint seltsam verändert:
Eine offensichtlich schwere Verletzung will er nicht behandeln lassen.
Er weigert sich, etwas zu essen und läßt seinen Hund erschießen,
der sich seit seiner Ankunft nicht mehr beruhigen kann. Zugleich zeigt
ein auffällig großes Interesse an seinem kleinen Enkelsohn
Iwan und noch in der gleichen Nacht entführt er das Kind. Die schreckliche
Ahnung ist nun zur Gewißheit geworden: Gorka ist ein Wurdelak.
Einer nach dem anderen fallen seine Familienmitglieder ihm zum Opfer
und werden dadurch selbst zu Untoten. Zwar gelingt es Vladimir zunächst
mit der jungen Sdenka zu fliehen, doch als sie in einer verlassenen
Abtei Rast machen, wird Sdenka von ihrer vampirisierten Familie heimgeholt...
Die Tolstoi-Adaption Il Wurdalak wurde von Bava adäquat
als klassische schwarzromantische Schauergeschichte in Szene gesetzt.
Virtuos werden hier alle Stilregister des Genres gezogen und die Episode
erglüht geradezu in verschwenderischen Farben. Eine gespenstische
Atmosphäre dominiert die exzellent ausgeleuchteten, nebelverhangenen
Kulissen, in denen die Protagonisten vergeblich versuchen ihrem unheilvollen
Schicksal zu entgehen. Die systematische Zerstörung einer Familie
- ein von Bava oft variiertes Thema, das bereits in La maschera del
demonio eine zentrale Rolle einnahm - wird auch hier zum eigentlichen
Mittelpunkt der Handlung. Der damals bereits 76jährige Boris Karloff
hat in der Rolle des untoten Patriarchen Gorka den sicherlich unheimlichsten
Auftritt (und - von seiner herausragenden Leistung in Peter Bodanovichs
Targets abgesehen - auch die allerbeste Rolle) seiner späten
Jahre. Mit dem für ihn typischen Understatement verstand es der
große alte Mann des Horrors, diese Figur auch ohne aufwendige
Makeup-Effekte zu einem wandelnden Nachtmahr werden zu lassen und unvergeßlich
bleibt der unmenschlichlich hungrige Ausdruck auf seinem geisterhaft
beleuchtetem Gesicht, wenn er nachts durch das Fenster in die Hütte
seiner Familie starrt.
La goccia d'acqua, der Wassertropfen, sorgt in der gleichnamigen
letzten Episode für Terror:
Eine Krankenschwester stiehlt einer toten Frau am Sterbebett einen Diamantring
vom Finger. Kaum hat sie das Kleinod entwendet, wird sie von einer merkwürdig
aufdringlichen Fliege belästigt. Wieder daheim in ihrer Wohnung
beginnen in der gleichen Nacht alle Dinge eine bedrohliche, spukhafte
Aura anzunehmen. Unheimliche Geräusche, allen voran das nicht enden
wollende, immer lauter werdende Tropfen eines Wasserhahns treiben die
Frau langsam aber sicher an den Rand des Wahnsinns. Ist wirklich Übernatürliches
zu Gange, oder sind es nur die in der Phantasie ansässigen, eigenen
Teufel der Diebin? Die Verstorbene war ein Medium und stand in dem Ruf,
Kontakt mit dem Jenseits herstellen zu können. Als der Krankenschwester
in der Klimax der Episode auch noch der Geist der Toten erscheint, wird
klar, daß sie diese Nacht nicht überleben wird. Am Morgen
wird sie tot in ihrer Wohnung erfunden. Den Ring trägt nun ihre
Concierge, die plötzlich von einer Fliege belästigt wird...
Die finale Episode La goccia d'acqua stellt den atmosphärischen
Höhepunkt in I tre volti della paura dar: Zwar erscheint
die erzählte Geschichte an sich relativ simpel und entbehrt der
dramaturgischen Finessen, die beispielsweise Il telefono aufweisen
kann. Doch wo ein anderer Regisseur vielleicht ein banales Geisterspuk-Dutzendfilmchen
fabriziert hätte, gelang Bava der vielleicht beste Horror-Kurzfilm
aller Zeiten. Zwar finden sich in La goccia... durchaus noch
klassische Horror-Stilelemente - so z. B. die Geistererscheinung -,
diese sind jedoch eigentlich nur ein nettes Beiwerk. Ihre unter die
Haut gehende Wirkung zieht die Episode aus ihrer raffinierter Inszenierung.
Mit subtilen Mitteln baut Bava hier einen kunstvoll verpackten, minimalistischen
Psychothriller auf, dessen Wirkung mehr aus ganz banalen Dingen (eben
dem Wassertropfen z. B.) entsteht, als aus konventionellen Horroreffekten
und diese in ihrer Effektivität um ein Vielfaches übertrifft.
Die Nacht, die die Krankenschwester bis zu ihrem Tod durchstehen muß,
ist ein brillant inszenierter Alptraum - Straßengeräusche,
hysterisch flackernde Lichter vor dem Fenster und das Tropfen eines
Wasserhahns werden zu einem enervierenden Perpetuum mobile des Grauens.
In La goccia d'acqua realisierte Mario Bava perfekt seine persönliche
Vorstellung von Horror, die er einmal folgendermaßen schilderte:
"Vor allen anderen bevorzuge ich jene Horrorfilme, die sich
nur um eine einzelne Person drehen. Was mich interessiert, ist die Angst,
die Menschen empfinden, wenn sie allein in ihrem Zimmer sind: Angst
vor sich selbst, wenn ganz normale Gegenstände plötzlich ein
Eigenleben zu führen beginnen und sich bedrohlich hin und her bewegen.
Dann wissen wir, daß sich die einzig wahren Monster in uns selbst
verbergen."
Nach der dritten Episode erscheint zum Ende des Films in einer Großaufnahme
nochmals der Wurdelak Boris Karloff, der durch eine stürmische
Nacht reitet und sich von den Zuschauern verabschiedet. Im Anschluß
zoomt die Kamera von ihm weg und enthüllt dem Betrachter das ganze
Bild: Es gibt kein Pferd und keinen Sturm; Karloff sitzt im Studio auf
einer schaukelnden Attrappe, während die Ventilatoren für
Wind sorgen und die Drehcrew um ihn herumwimmelt. Mit einem ironischen
Augenzwinkern gewährt Bava hier einen kurzen Blick hinter die Kulissen
der Kinomagie, bevor der Abspann einsetzt.
In den USA waren abermals die American International Pictures (AIP)
für den Verleih zuständig. Die AIP betitelte I tre volti...
recht sinnfrei, doch durchaus eingängig Black Sabbath (in
Anlehnung an an Bavas Debüt La maschera del demonio, das
in den USA recht erfolgreich als Black Sunday lief) und nahm
sich auch hier einige Freiheiten heraus, um den Film für den US-Markt
kompatibler zu machen. Armando Trovajolis Originalmusik wurde wieder
einmal durch einen "gruseligen" Les Baxter-Soundtrack ersetzt
und die Reihenfolge der Episoden geändert: So beginnt die damalige
AIP-Version mit La goccia d'acqua, es folgt Il telefono
und den Abschluß bildet IL Wurdalak. Höchstwahrscheinlich
wurde diese Reihenfolge aufgrund der Popularität Boris Karloffs
gewählt, um das Publikum auch bis zum Schluß in den Kinosesseln
festzuhalten.
Da der Film in den USA vor allem eine jugendliche Zielgruppe ansprechen
sollte, kamen auch noch die Zensoren zum Einsatz. So wurden in der amerikanischen
Synchronfassung von Il telefono alle Hinweise auf die lesbische
Beziehung zwischen Rosy und Mary total eliminiert. Statt dessen ist
Mary nun Franks Ex-Geliebte und praktiziert ihren Telefonterror aus
Eifersucht auf Rosy. Außerdem wird dem Thriller eine übersinnliche
Komponente hinzugefügt, denn es wird suggeriert, daß Frank
- anstatt aus dem Gefängnis - aus dem Grab zurückkehrt. In
der Episode Il Wurdalak wurde die Szene herausgeschnitten, in
der Boris Karloff den abgeschlagenen Kopf Ali Beks präsentiert.
Schließlich wurde auch noch die den Film abschließende Schlußsequenz
mit Karloff auf dem Schaukelpferd entfernt, obwohl die AIP zuerst auf
einem heiteren Ausklang des Films bestanden und Bava diese Szene nur
deswegen gedreht hatte (übrigens machte Bava sich jahrelang Vorwürfe,
weil Karloff sich dabei durch die Ventilatoren eine schwere Erkältung
zugezogen hatte). Offensichtlich war dieses Ende für den US-Markt
schlichtweg zu grotesk.
Der einzige Vorteil, den die AIP-Version aufweisen kann, ist, daß
Karloff darin zu jeder Episode eine Einleitung spricht und sich auch
selbst synchronisierte.
Recht seltsam geraten ist übrigens auch die alte (unrestaurierte)
deutsche Version des Films, die offensichtlich auf der geschnittenen
AIP-Version basierte. Hier wurde die Reihenfolge der Episoden abermals
wie folgt geändert: Il Wurdalak - La goccia d'acqua
- Il telefono. Es erscheint schwierig, einen irgendwo nachvollziehbaren
Grund für diesen völlig unsinnigen Eingriff zu entdecken.
I tre volti della paura führt auf wunderbare Art die ganze
Bandbreite von Mario Bavas Talent vor Augen und eignet sich darum auch
perfekt dafür, einen Einstieg in das Werk des Regisseurs zu finden.
Was die Nähe zu den literarischen Vorlagen betrifft, so läßt
sich diese am ehesten noch bei Il Wurdalak erkennen; bei den
anderen Episoden dürfte es wohl schwieriger werden, die literarische
Entsprechung zu finden (da Roger Cormans Poe-Adaptionen zu dieser Zeit
sehr erfolgreich waren, versuchten die Produzenten hier offensichtlich
auf einen ähnlichen "literarischen Horrorzug" aufzuspringen).
Aber schließlich erwartet hier auch niemand eine werkgetreue Literaturverfilmung.
Daten zum Film:
I TRE VOLTI DELLA PAURA
(weitere Titel: LES TROIS VISAGES DE LA PEUR, DIE DREI GESICHTER DER FURCHT, BLACK
SABBATH, THE THREE FACES OF FEAR)
Italien/Frankreich 1963, Farbe
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Bava, Alberto Bevilacqua, Marcello Fondato (basierend auf Erzählungen
von Guy de Maupassant [IL TELEFONO, adaptiert von F. G. Snyder], Graf Alexei K.
Tolstoi [IL WURDALAK] und Anton P. Tschechow [LA GOCCIA D'ACQUA])
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Ubaldo Terzano
Musik: Armando Trovajoli
Schnitt: Mario Serandrei
Darsteller: IL TELEFONO: Michele Mercier (Rosy), Lydia Alfonsi (Mary), Gustavo
De Nardo (Frank); IL WURDALAK: Boris Karloff (Gorka), Mark Damon (Graf Vladimir
D'Urfe), Susy Andersen (Sdenka), Glauco Onorato (Giorgio), Rika Dialina (Giorgios
Frau), Massimo Righi (Pietro); LA GOCCIA D'ACQUA: Jacqueline Perrieux (Krankenschwester),
Milli Monti (Dienstmädchen), Harriet White Medin (Concierge), Gustavo De
Nardo (Inspektor)
Externe Links:
B-Movies: Sehr
schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Sense of View:
Review (deutsch)
The
Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth
Trailer:
YouTube (italienischer
Trailer)
VideoDetective.com
(Windows Media)
Veröffentlichungen:
DVD:
- BLACK SABBATH, Image Entertainment (USA)
- DIE DREI GESICHTER DER FURCHT, Anolis Entertainment (Deutschland)
- LES TROIS VISAGES DE LA PEUR, Films sans frontières (Frankreich)
VHS:
- BLACK SABBATH, Image Entertainment (USA)
- DIE DREI GESICHTER DER FURCHT, Anolis Entertainment (Deutschland)
- DIE DREI GESICHTER DER FURCHT, Jünger (Deutschland) - diese Fassung ist
gekürzt!