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Peter Kleist ignoriert jedoch sämtliche Warnungen und macht sich
gemeinsam mit Eva auf in das Schloß. Dort nimmt das Unheil bald
seinen Lauf: Zwar gelingt die Beschwörung des Geistes erst beim
zweiten Anlauf, dummerweise fällt dabei jedoch das Dokument (in
welchem auch eine Formel für die Rücksendung des Dämons
in die Hölle erwähnt war) in den Kamin und verbrennt. Voll
von unguten Ahnungen flüchten Peter und Eva aus dem Schloß.
Der finstere Baron - ein von Brandwunden entstellter wandelnder Leichnam
- kehrt also aus dem Totenreich zurück. Nachdem er anfangs noch
etwas ratlos stöhnend durch den Wald schlurft, tut er schließlich
das naheliegendste: Er sucht einen Arzt auf. Der hilfsbereite Doktor
wundert sich zwar arg über die Epidermis des Barons, macht sich
jedoch dem hippokratischen Eid gemäß sofort ans Werk und
verbindet die Wunden, wofür dieser ihm zum Dank die Kehle durchschneidet.
Ein betrunkener Bauer, der wirr lallend durch den nächtlichen Wald
spaziert, wird das nächste Opfer. Auch in den folgenden Tagen setzt
der Baron sein blutiges Werk fort, so tötet er Professor Dortmundt
und im Anschluß Fritz. Danach macht er sich ungestört daran,
seinen Schatz aus dem Versteck zu holen...
Nach dem rätselhaften Tod Professor Dortmundts werden die Umbaupläne
fallengelassen und das Schloß auf einer Auktion zum Verkauf angeboten.
Der neue Besitzer wird ein gewisser Alfred Bekker, ein geheimnisvoller,
an den Rollstuhl gefesselter Millionär.
Bekker engagiert Eva, um die diversen im Schloß befindlichen Artefakte
zu katalogisieren. Als sie ihm von der Beschwörung und dem Fluch
erzählt, reagiert Bekker belustigt, doch schon kurz darauf begegnet
ihr - am hellichten Tag übrigens - der Baron im Schloß. Sie
flieht entsetzt vor der Erscheinung und nur Peters Eintreffen kann im
letzten Moment schlimmeres verhindern. Noch in der gleichen Nacht besucht
der Geist Eva in ihrem Studentenwohnheim. Sie kann sich aus dem Zimmer
auf die Straße flüchten und es folgt eine fesselnde, grandios
inszenierte Verfolgungsjagd durch die nächtlichen Altstadtgassen
- das Auftauchen des Barons (einer großen schattenhaften Gestalt
mit Hut und wallendem Mantel) in dieser Sequenz wirkt wie eine phantastisch
kolorierte Reminiszenz an den Expressionismus des deutschen Stummfilms
und weckt zugleich deutliche Assoziationen zu Sei donne per l'assassino
und anderen Gialli. Im letzten Moment kann Eva sich zu Karl Hummel flüchten.
Nunmehr endgültig von der Wirksamkeit ihrer Beschwörung überzeugt,
beschließen Eva und Peter gemeinsam mit Professor Hummel den Baron
wieder ins Jenseits zurückzuschicken. Hummel erwähnt Christina
Hoffmann, ein Medium, mit dem er bereits an der Universität zu
tun hatte und man beschließt sie um Hilfe zu bitten. Christina
Hoffmann zeigt sich anfangs verängstigt und verweigert ihre Mithilfe.
Sie erwähnt, daß der Baron nur durch jene, die ihn erweckt
haben, wieder zurückgeschickt werden kann. Schließlich präsentiert
sie ein Amulett, das einst der Hexe Elisabeth Holly gehört hatte,
die eines der vielen Opfer des Barons war. Bei einer Beschwörung
gelingt es ihr, den Geist Elisabeths zu befragen - doch noch in der
gleichen Nacht wird auch das Medium ein Opfer des Barons.
Am nächsten Tag fällt Gretchen im Wald vor dem Schloß
beinahe dem Untoten in die Hände, bevor sie im letzten Augenblick
auf ihren Vater und Peter trifft. Ohne Nebel und Mondschein gelang es
Mario Bava hier bei sonnigem Tageslicht eine packende, unheimliche Atmosphäre
lebendig werden zu lassen: Die Spannung baut sich nur durch die Kameraperspektiven,
die Schnittfolge, die effektive musikalische Untermalung und das Schauspiel
des italienischen Horror-Kinderstars Nicoletta Elmi (die z. B. auch
in Bavas Ecologia del delitto und Dario Argentos Profondo
Rosso mitwirkte) auf. Der Geist selbst erscheint nur mit seinen
Händen oder als schwarzer Schatten, der sich plötzlich seitlich
vor die Kamera schiebt - eine optimale Lösung, denn das Monster-Makeup
wäre im strahlenden Sonnenschein wohl eher der Lächerlichkeit
preisgegeben gewesen.
Nach diesem Vorfall sucht man Becker auf, der - nachdem ihm davon
erzählt wurde - alle für den gleichen Abend auf das Schloß
einlädt. Später erzählt Gretchen, daß niemand anders
als er der Geist des Barons ist, doch abermals will ihr niemand so recht
glauben, wenngleich Professor Hummel allmählich skeptisch wird.
Der abendliche Besuch im Schloß gestaltet sich recht seltsam:
Bekker präsentiert einige bizarre Arrangements, die dem Schloß
seine authentische Aura widerverleihen sollen: Auf den Schloßzinnen
befinden sich gepfählte Leichen, die Folterkammer ist wieder hergerichtet
und Schreie vom Tonband sollen für die adäquate Atmosphäre
im "Schloß des Teufels" sorgen.
Schließlich (und eigentlich zu niemandes Überraschung mehr)
enttarnt Bekker sich selbst. Evas Versuch, ihn mit dem Amulett zu töten
mißlingt und selbstverständlich richten auch die Kugeln aus
Hummels Revolver nichts gegen ihn aus - wer schon seit Jahrhunderten
tot ist, stirbt halt nicht so leicht.
Peter, Eva und und der Professor finden sich schließlich dem Spieltrieb
des Barons ausgesetzt in der Folterkammer wieder.
Als Eva sich dort die enstellte Leiche von Fritz entdeckt, läßt
sie vor Schreck das Amulett auf den Toten fallen, was mehrere interessante
Effekte zur Folge hat: Der Baron windet sich plötzlich in Krämpfen
und sein Gesicht zerfällt wieder zu der verbrannten Fratze. Der
tote Fritz erhebt sich und stakst steif auf den wimmernden Untoten zu
und schließlich bricht eine weitere Kerkertür auf, aus der
sämtliche Opfer des Barons hervortaumeln, um sich an ihrem Peiniger
zu rächen.
Eva, Peter und Karl Hummel flüchten aus dem Schloß, während
Otto von Kleists unmenschliche Schreie durch das Gemäuer gellen.
Ein letztes Mal erscheint das schattenhafte Phantom im wallenden Mantel
auf den Schloßzinnen, bevor schließlich der Abspann einsetzt.
Betrachtet man nur die Story - ein böser Geist wird in einem gruseligen
alten Schloß aus dem Totenreich beschworen und treibt fortan sein
Unwesen - so bietet Gli orrori del castello di Norimberga scheinbar
nichts Neues und erscheint als eine geradlinige Fortführung typischer
italienischer Horror-B-Pictures der 60er Jahre. Was den Film jedoch
aus dem Durchschnittsbereich hervorhebt, ist (einmal wieder) Bavas visuelles
Talent, das in barocken Bildern geradezu schwelgt und wieder einmal
die schönsten Licht- und Schatteneffekte aus der unergründlichen
Ausleuchtungs-Trickkiste zaubert. Mit ebensolcher Leichtigkeit wie Perfektion
entwirft er hier eine farbtrunkene Alptraumatmosphäre, neblige
Nächte in pittoresken Altstadtgassen, durch die Elke Sommer sich
vor der bedrohlichen schwarzen Schattengestalt des Barons flüchtet,
schwindelerregende Kamerafahrten durch die Säle des Schlosses etc.,
etc. Das Schloß schließlich, ein Labyrinth aus Stein und
Stahl und der klassische Mikrokosmos des gotischen Horrors, kontrastiert
hier mit dem ansonsten überraschend modernen, naturalistischen
Setting: Die Protagonisten sind moderne Menschen und die österreichische
Landschaft - der Großteil des Films wurde in Wien und Umgebung
gedreht - präsentiert sich postkartengerecht sonnenüberflutet
und alles andere als jenseitig.
Dennoch ist Gli orrori... stilistisch einwandfrei als "gotischer"
Horrorfilm einzuordnen, kann zugleich aber auch einige durchaus nicht
zimperliche Gore-Einlagen aufweisen. Das Kunstblut wird nicht gerade
spärlich eingesetzt: Dem Arzt, den Baron zuerst aufsucht, wird
die Kehle durchgeschnitten und Fritz findet sein Ende in einem nagelgespickten
Sarg. Baron von Kleist ist (trotz der nicht gerade preisverdächtigen
Maske) als wandelnde Brandleiche kein freundlicher Anblick und im Finale
des Films ruft Fritz als Zombie mit seinem durchlöcherten Antlitz
Erinnerungen an La maschera del demonio wach. Würde jedoch
ausschließlich dieser Aspekt Gli orrori... dominieren,
so würde der Film bestenfalls als kurzweiliger Trash-Streich in
Erinnerung bleiben, denn die genannten Grausligkeiten sind weitaus mehr
Grand Guignol-Revue, als wirklich erschreckend.
Doch auch über die Besetzung von Gli orrori... gilt es einige
positive Worte zu verlieren. Mit Joseph Cotten - einem Veteran des richtig
großen Kinos, der u. a. in The Third Man und Hush...Hush,
Sweet Charlotte mitwirkte, und in den frühen 70ern auch in
einigen italienischen B-Pictures (u. a. in Mel Welles' Trashklassiker
Lady Frankenstein) vor der Kamera stand - kann der Film einen
international bekannten Star und exzellenten Schauspieler aufweisen.
Überzeugen tut auch "Professor Hummel" Massimo Girotti
(er wirkte u. a. auch in Filmen von Roberto Rosselini, Luchino Visconti
und Vittorio De Sica mit) und natürlich einmal wieder Luciano Pigozzi,
der hier eine zwar kleine, aber feine Rolle als leicht umnachteter Fritz
hat. Die gebürtige Berlinerin Elke Sommer, deren Karriere in den
60er Jahren als Starlet in einer Reihe internationaler Produktionen
begann (u. a. spielte sie an der Seite von Peter Sellers in in Blake
Edwards' grandioser Clouseau-Komödie A Shot in the Dark),
ist perfekt in der Rolle Evas. "Seriöse" Kritiker mögen
sich vielleicht daran stören, daß ihr ihre Rolle als blickfangende
Scream Queen wenig mehr abverlangt, als vor dem Baron davonzurennen
und dabei auch noch möglichst attraktiv auszusehen, dies absolviert
sie jedoch exzellent und sollte schon in Bavas nächstem Film Gelegenheit
zu einer etwas diffizileren Darstellung bekommen.
Gli orrori del castello di Norimberga zählt zu den atmosphärischsten
Filmen Mario Bavas und ist zugleich des Maestros letzter Exkurs in gotische
Horrorgefilde. In den USA war der Film ein großer Erfolg, allerdings
blieb auch er nicht von den obligatorischen Eingriffen des Verleihers
AIP verschont, der die Originalmusik wieder einmal durch Les Baxters
stereotype Gruseltöne ersetzen ließ.
Produzent Alfredo Leone war mit dem Erfolg von Gli orrori...
übrigens so zufrieden, daß er Bava für das nächste
Projekt erstmals alle Freiheiten gewährte - es folgte Lisa e
il diavolo.
Daten zum Film:
GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA
(weitere Titel: BARON BLOOD, THE TORTURE CHAMBER OF BARON BLOOD)
Italien/Deutschland 1972, Farbe
Regie: Mario Bava
Story und Buch: Vincent Fotre
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Antonio Rinaldi
Musik: Stelvio Cipriani (US-Version Les Baxter)
Schnitt: Carlo Reali
Darsteller: Elke Sommer (Eva), Joseph Cotten (Alfred Becker/Otto von Kleist),
Massimo Girotti (Karl Hummel), Antonio Cantafora (Peter Kleist), Dieter Tressler
(Herr Dortmundt), Luciano Pigozzi (Fritz), Umberto Raho (Inspektor), Rada Rassimov
(Christina Hoffmann), Nicoletta Elmi (Gretchen)
Externe Links:
B-Movies: Sehr
schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Sense of View: Review
(deutsch)
The
Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth
Kinoeye:
The Shadow Trickster in Italian horror cinema (English article by James Iaccino)
Trailer:
New
York Times (Real + Windows Media)
VideoDetective.com
(Windows Media)
Veröffentlichungen:
DVD:
- BARON BLOOD, Image Entertainment (USA)
- BARON BLOOD, e-m-s (Deutschland)
- BARON BLOOD, Control Productions (Australien)
- BARON VAMPIRE, Films sans frontières (Frankreich)
- BARON VAMPIRE, Mad Movies/One Plus One (Frankreich)
- GLI ORRORI DEL CASTELLO DI NORIMBERGA, Raro Video/Nocturno (Italien)
VHS:
- BARON BLOOD, Redemption Films (UK), nicht mehr erhältlich
- BARON BLOOD, Image Entertainment (USA)