Medusas Spiegelbild:
LA MASCHERA DEL DEMONIO

"Entering the cool, dark set was like entering a medieval cathedral on a midsummer afternoon. Echoes of an ancient civilization that has been dormant for centuries. This odd silence descended upon us, this hushed, suspended world ... The whole film was so monochromatic that nobody, not even a crew member, wore a single color on the set - hypnotically beautiful ..."
Barbara Steele über die Drehbarbeiten zu LA MASCHERA DEL DEMONIO

Der Anfang des Films führt uns zurück in das Jahr 1630, in eine Nacht irgendwo in Moldawien. Lodernde Fackeln und Scheiterhaufen beleuchten eine gespenstische Szenerie: die Inquisition hält Gericht über Prinzessin Asa und ihren Vetter und gleichzeitigen Geliebten Javutich. Während Javutich, das Gesicht von einer eisernen Teufelsmaske bedeckt, bereits leblos in seinen Fesseln hängt, stehen Asa die Torturen noch bevor. Nachdem man sie ausgepeitscht und ihr das Hexenmal auf den Rücken gebrannt hat, verurteilt der Großinquisitor - ihr eigener Bruder - sie wegen Hexerei und Buhlerei mit dem Teufel ebenfalls zum Tode. Noch im Angesicht des Todes verflucht sie ihre gesamte bigotte Familie und schwört, zu den Lebenden zurückzukehren, um ihre Rache zu vollenden: "...and in the blood of your sons and in the sons of your sons I will continue to live, immortal!" [eine Anmerkung zum Beginn: die Dialogzitate in diesem Artikel stammen aus der englischsprachigen Fassung Mask of Satan]. Doch es sind nicht nur die Söhne, derer sich Asa im Verlauf des Films annehmen wird... Das Urteil wird vollstreckt und eine an der Innenseite mit fingerlangen Dornen versehene eiserne Dämonenmaske wird vom Henker auf Asas Gesicht genagelt. Diese Prozedur ist von Bava ebenso drastisch wie geschickt in Szene gesetzt worden, indem er den Zuschauer gleichzeitig zum Voyeur und zum Opfer werden läßt. Ein Fleischberg von Henkersknecht nähert sich mit der monströsen Maske der Kamera, immer näher kommen ihre unheilverheißenden Dornen dem Auge des Betrachters - ein Schnitt zeigt die sich verzweifelnd in ihren Fesseln windende Barbara Steele, ein weiterer eine Großaufnahme ihres Gesichts, ihrer vor Entsetzen geweiteten Augen, dunkler Spiegel des Grauens. Mit einem absurd überproportionierten Hammer vollendet der Henker schließlich sein Werk.

Aus Furcht vor Asas Fluch beschließt man, die Leichen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, um somit wirklich alle Spuren der Prinzessin und ihres Geliebten von der Erde zu tilgen; ein gewaltiger Wolkenbruch, der plötzlich einsetzt, löscht jedoch die "reinigenden" Flammen. Javutich wird in ungeweihter Erde begraben und Prinzessin Asa in ihrer Familiengruft beigesetzt (sorgsam abgesichert durch die Maske und die Gegenwart christlicher Symbole, versteht sich). Die ganze Nacht über werden die Glocken geläutet, um die Dämonen zu vertreiben...
Zwei Jahrhunderte nach Asas Tod durchreisen der Gelehrte Professor Choma Kruvajan und sein junger Assistent Andrej Gorobek denselben Landstrich. Es ist eine unwirklich scheinende, alptraumhafte Landschaft, in die die Kutsche der Reisenden eintaucht. Durch verwinkeltes Geäst hindurch, das sich wie die Klauen halbmenschlicher Fabelwesen ausstreckt, kann der Betrachter verfolgen, wie der Weg immer tiefer in einen nebeldurchfluteten, verwunschenen Wald führt - ein unwirklicher Mikrokosmos der Magie und Schattenwesen, der unwillkürlich Erinnerungen an Jean Cocteaus La belle et la bête wachruft. Als ein Rad der Kutsche bricht, nimmt das Unheil seinen Lauf: Während der Kutscher unter großem Gejammer die Misere repariert, vertreten sich Kruvajan und Gorobek ein wenig die Beine und entdecken dabei die halb eingestürzte alte Kapelle, unter welcher sich Asas Familiengruft befindet. Eine spinnwebverhangene, surreale Atmosphäre, die an die Stummfilmklassiker des deutschen Expressionismus und an die Kameraarbeit Karl Freunds (der eben dieser Schule entstammte) in den brillanten Anfangssequenzen von Tod Brownings Dracula erinnert, empfängt die Beiden. Als sie Asas Grab entdecken, wird der Professor einer letzten Warnung gleich plötzlich von einer Fledermaus attackiert, bei deren Abwehr er versehentlich den Sarkophagdeckel beschädigt. Als Paradeexemplar eines unorthodox denkenden Intellektuellen macht er sich - von den Erzählungen des Kutschers ebenso unbeeindruckt wie von den Bedenken Andrej Gorobeks - voller Neugier daran, Asas letzte Ruhestätte zu examinieren. Er entdeckt in dem Grab eine geheiligte alte Ikone, die er kurzerhand an sich nimmt, und entfernt die Teufelsmaske, die immer noch das Antlitz der Leiche bedeckt - eine Prozedur, die auch für heutige Verhältnisse noch bemerkenswert widerlich inszeniert ist: Von einem schmatzenden Geräusch begleitet, löst sich die eiserne Fratze und enthüllt das unverweste maskenhafte Gesicht Asas, in deren leeren Augenhöhlen sich Skorpione und anderes Krabbelgetier tummeln. Von Kruvajans verletzter Hand tropft ein wenig Blut auf die Unterlippe der Toten...

Auf dem Rückweg zur Kutsche begegnen Kruvajan und Gorobek einer schwarzgewandeten, melancholischen jungen Frau, die sich als Prinzessin Katja vorstellt und erzählt, daß die Kapelle mit zu dem Grundbesitz ihres Vaters, Prinz Vajda, gehört, der sich aus unerfindlichen Gründen weigere, das vor Jahren bei einem Erdbeben zerstörte Gebäude restaurieren zu lassen. Und während die beiden Reisenden sich auf dem Weg in das Dorfgasthaus machen, beginnt sich Asas Leichnam in der Gruft zu beleben...
Eine bedrückte Stimmung herrscht am gleichen Abend im Schloß Prinz Vajdas. Infernalisches Wolfsgeheul zieht um das Gemäuer, derweil der alte Prinz seinen Kindern Katja und Konstantin von der Legende um ihre gefürchtete Vorfahrin Asa erzählt, und plötzlich wird ein finsteres Vorzeichen entdeckt: ein Portrait Prinzessin Asas scheint sich auf eine undefinierbare Art verändert zu haben und besonders die - Asa wie aus dem Gesicht geschnittene - Katja nimmt diese Veränderung wahr: "There's something alive about it, something different about the eyes, the hands, as if it were hiding something ... Sometimes I'm afraid to go near it." Auf eine merkwürdige Art scheint sie von dem Bild ebenso abgestoßen wie angezogen zu werden und der Prinz erzählt, wie vor vielen Jahren Prinzessin Masha - auch sie ein Ebenbild Asas - in ihrem 21. Lebensjahr unter mysteriösen Umständen dahinschied. Auch Katja ist jetzt 21 Jahre alt... Seltsamerweise hat die Familie Vajdas in einer eigentümlichen Mischung aus fatalistischer Furcht und Besessenheit von der eigenen Geschichte wohl in all den 200 Jahren nie den Versuch unternommen, sich vom Andenken an die ungeliebte und gefürchtete Vorfahrin zu befreien - sogar ein Bild Javutichs hängt noch neben Asas Portrait. Die Zerstörung einer Familie - in ideeller wie physischer Hinsicht -, die sich hier bereits anzubahnen beginnt, sollte auch in Bavas weiteren Filmen noch oft ein zentrales Thema sein.
Später hat Prinz Vajda eine grauenvolle Vision: im Weinglas erscheint ihm das Bild der eisernen Teufelsmaske. Zwar schon halb regeneriert, doch noch zu schwach, um ihren Sarg zu verlassen, beschwört Asa aus der Gruft hinaus ihren toten Liebhaber Javutich, der sich in einer beeindruckend realisierten Szene daran macht, aus seinem Grab aufzuerstehen: Durch das Fenster einer Scheune hindurch fährt die Kamera auf einen Friedhof zu, verharrt schließlich vor einem verwitterten Grabstein. Nebelschwaden fließen durch das Bild, Blitze zucken, und begleitet von Donnergrollen brandet heftig ein Sturm auf - eine untermalende Symphonie für den nachfolgenden Akt der Auferstehung, der eigentlich schon mehr die metaphorische Travestie einer Geburt ist: die Erde auf dem Grab beginnt sich zu bewegen, lockert sich und platzt auf. Ein Paar verkrusteter Hände schiebt sich durch die bröckelnde Grabdecke und der durch Asas Ruf reanimierte Javutich kämpft sich blind tastend ins Freie. In einer geradezu schmerzhaften Geste reißt er die Dämonenmaske herunter, die seit zwei Jahrhunderten sein Gesicht bedeckt, und wird fortan Asas getreuer Erfüllungsgehilfe sein. Überhaupt ist Javutichs Metamorphose vom einstigen Liebhaber zum Diener/Quasi-Sohn der Hexe ein damals auffälliges Phänomen im Genre Vampirfilm. Er hat nichts gemein mit der üblichen dominanten Verführergestalt des männlichen Vampirs, wie ihn z. B. Christopher Lee verkörperte. Trotz der optischen Ähnlichkeit mit einem gewissen Vlad Tepes ist nicht er der Versucher, der die Sterblichen zu Marionetten seines höllischen Spiels machen wird, sondern die in ihrer Gruft wartende Asa. Ihr in devoter Hingabe zu dienen, wird von nun an der einzige Zweck seiner Existenz sein. Dennoch war es wohl unumgänglich, den Film in Deutschland unter dem ebenso debilen wie irreführenden Titel Die Stunde wenn Dracula kommt aufzuführen.

Im Verlauf der Nacht wird Prinz Vajda von dem Untoten heimgesucht und erleidet vor Angst einen Herzanfall. Katja und ihr Bruder Konstantin beschließen Professor Kruvajan zu Hilfe holen zu lassen, nicht ahnend, daß dieser bereits von Javutich auf das Schloß eingeladen wurde - scheinbar um dem kranken Prinzen zu helfen.
In einer apokalyptisch gespenstischen Fahrt - eine großartige Szene, die in ihrer visuellen Kraft an die Bilder Murnaus und Bergmans erinnert - bringt eine prächtige, goldverzierte Kutsche den Professor bis vor das Schloß des Prinzen. Doch die Dinge sind in La maschera... nie was sie scheinen: Von Javutich durch ein unüberschaubares Netz von Geheimgängen geführt, findet sich der Gelehrte zu seiner Überraschung nicht im Schloß, sondern in der Gruft, direkt vor Asas Sarg wieder. Es ist zu spät zur Flucht, als er die Gefahr realisiert, und es folgt eine weitere Szene, die La maschera... unvergeßlich macht: Die Wände des Sarkophages beginnen zu vibrieren, zu beben, zerbersten schließlich in einem donnernden Crescendo, das die ganze Gruft in ihren Grundmauern erschüttert. Ein konvulsives Zucken fährt duch den Körper der aufgebahrten Asa, als sie - nun endlich erlöst von ihrem steinernen Kerker - in gierigen Atemzügen ihre Freiheit inhaliert. Langsam streckt sie eine Hand in Kruvajans Richtung aus und ordert den inzwischen völlig willenlosen, von ihrem sprichwörtlichen "bösen Blick" gebannten Professor an ihr Lager. "Come, kiss me..." fordert sie den über sie gebeugten Kruvajan auf und fährt fort: "My lips will transform you - you will be dead to men but you will be alive in death". Es folgt eine klassische Abblende. Diese bizarre Verführungsszene ist wohl einer der erotischsten Momente des phantastischen Kinos an sich, geradezu exemplarisch entlädt sich das morbid-sinnliche Charisma Barbara Steeles, die ungeheure dunkle Kraft und Anziehung, die von Asa ausgeht. Sex und Tod werden zu einer Symbiose. In einer Großaufnahme erscheint hier das noch von den Penetrationen der Nägel gezeichnete Gesicht der Steele fast wie ein seltsam abstrahiertes Konterfei der Medusa: unwirklich starren die hypnotischen Augen in die Kamera, wie schwarze Spiegel, und sie drohen den, der zu lange hineinsieht zu versteinern, zu absorbieren. "Stare into these eyes" hieß es auf den damaligen US-Filmplakaten, "discover deep within them the terrifying secret..."
Als sich der nunmehr vampirisierte Kruvajan schließlich doch noch im Schloß einfindet, verspricht er den besorgten Geschwistern, die Nacht über am Bett des kranken Vaters zu wachen - vorher besteht er allerdings darauf, daß sämtliche christlichen Symbole aus dessen Gemach entfernt werden. Erwartungsgemäß überlebt Prinz Vajda diesen Arztbesuch nicht und wird am nächsten Morgen blutleer aufgefunden, während vom Professor keine Spur mehr zu entdecken ist. Der Anblick des von Angst entstellten Gesichts ihres Vaters beschert Katja eine gnädige Ohnmacht.
Als Andrej Gorobek auf der Suche nach seinem Mentor im Schloß eintrifft, sieht er sich zwar anfangs mit dem Mißtrauen und den Vorwürfen Konstantins konfrontiert, kann dessen Bedenken jedoch schnell zerstreuen, indem er der ohnmächtigen Katja erste Hilfe leistet. Die Szene, in der er der Bewußtlosen behutsam das Kleid öffnet, läßt schon jetzt darauf schließen, daß die Ambitionen des Doktors im weiteren Verlauf nicht nur medizinischer Natur sein werden. Gleichzeitig wird ein von Katja getragenes Kruzifix groß ins Bild gebracht - ein Symbol, das ihren "guten" und "unschuldigen" Part in der Geschichte verdeutlicht und später noch entscheidende Bedeutung erlangen soll.
Der Spuk beginnt nun immer mehr das Leben im Schloß zu infiltrieren. Eine Abordnung erregter Dorfbewohner berichtet von einem Toten, den man blutleer und mit zwei seltsamen Malen am Hals aufgefunden habe, und als Andrej Prinz Vajdas Leichnam untersucht, entdeckt er an dessen Hals (zu niemandes Überraschung) die gleichen Wunden. Der zum Wiedergänger mutierte Professor Kruvajan, dessen Haar inzwischen schlohweiß geworden ist, erscheint in der folgenden Nacht seinem überraschten Schüler, doch als Andrej ihn mit der heiligen Ikone konfrontiert, sieht der Professor sich zu einer überstürzten Flucht gezwungen - allerdings nicht ohne seinen Durst vorher noch an den winselnden Schloßdoggen zu stillen, denn in der Not fressen Teufel bekanntlich Fliegen...

Andrej Gorobek beginnt zu ahnen, daß die seltsamen Geschehnisse sich nicht mit seinem akademischen Wissen erklären lassen, zugleich spinnt sich zwischen ihm und Katja eine fragile Romanze an. Doch obwohl die Prinzessin seine romantischen Gefühle erwidert, hängt der familiäre Fluch des Blutes über ihr und fesselt sie in einer morbiden Melancholie: "What is my life? Sadness and grief... Something that destroys itself day by day and no one can rebuild it."
Als eines Nachts ein Feuer das Javutich-Portrait zerstört, entdeckt man, daß sich dorthinter ein Hohlraum in der Wand befindet. Als Konstantin und Andrej die kleine Kammer untersuchen, entdecken sie einen Mechanismus, der eine Geheimtür an der Rückwand des Kamins öffnet, und machen sich daran, den rätselhaften Durchgang zu erkunden. Nach diesem ersten "initiierenden" Einstieg in die Schattenwelt entdecken sie in einem dahinter gelegenen kleinen Raum ein weiteres Portrait Asas - bezeichnenderweise ist sie auf diesem Bild nackt verewigt worden. Die Funktion der Bilder als Brücken, Schlüssel und Tore zu "anderen" Welt offenbart sich schließlich auch hier: Eine weitere Geheimtür öffnet sich den Suchenden hinter dem Gemälde, der Eingang zu dem unüberschaubaren Netz von Geheimgängen unter dem Schloß, die gleich den Fäden eines Spinnennetzes von der Familiengruft auszugehen scheinen. Ebendort finden sich schließlich Andrej und Konstantin wieder und entdecken zu ihrem Entsetzen die untote aufgebahrte Asa. Während Andrej den Ausgang ins Freie benutzt, um den Dorfpriester zu Hilfe zu holen, rennt Konstantin auf dem Rückweg Javutich in die Arme, der ihn kurzerhand durch eine Falltür in einen undefinierbaren Abgrund wirft.
Als Andrej in Begleitung des Priesters den Friedhof aufsucht, entdeckt er zuerst die Teufelsmaske Javutichs und schließlich auch ein frisches Grab, in dem sich der (scheinbar) tote Professor Kruvajan befindet. Andrej ist schockiert und will gerade dessen Schicksal beklagen, doch der Priester weiß es besser und rettet das Seelenheil des vampirisierten Wissenschaftlers, indem er ihm einen Eisennagel durchs Auge treibt - eine Prozedur, die zwar heutiger detaillierter Gore-Effekte entbehrt, doch von Bava so gekonnt unangenehm in Szene gesetzt wurde, daß auch sie zur jahrelangen Indizierung des Films in einigen Ländern beitrug.
Im Schloß gerät Prinzessin Katja derweil in einen Zustand kopfloser Panik. Nachdem sie vergeblich nach Konstantin und Andrej gesucht hat, bricht sie verzweifelt am aufgebahrten Leichnam ihres Vaters zusammen - nur um im nächsten Moment zu erleben, wie dieser die Augen öffnet und sich aufrichtet. "I am no longer your father" kommt es mit hohler Stimme von seinen Lippen, "the spirirts of evil have rent that tie between us forever." Katja verliert anhand solcher Offenbarungen das Bewußtsein und der lüstern starrende Vajda nähert sich seiner Tochter mit unverhohlen unväterlichen Absichten, als der unvermeidliche Javutich auf der Bildfläche erscheint und ihr - vorerst - das Leben rettet, indem er den gierigen Greis dem lodernden Kaminfeuer überantwortet. Die Ohnmächtige wird von ihm in die Gruft gebracht, denn niemand anderes als Katja soll der untoten Ahnherrin nun zur endgültigen Wiederauferstehung verhelfen.

Wie in einer bizarren Pieta - gleich einer Allegorie auf den für katholische Kulturen typischen mythischen Dualismus aus Madonna und Hure - lehnt Katja leblos vor der aufgebahrten Asa. Langsam, bedächtig tastend, streckt sich die langfingrige Klauenhand der Hexe nach ihr aus, um dann schließlich mit einem Griff gleichsam Körper und Seele ihres Ebenbildes in Besitz zu nehmen. Hier wird Asa zum Archetyp der bösen Märchenhexe, die nach dem Blut (= Leben) der Kinder giert, um ihre Jugend (= ewiges Leben) wiederzugewinnen. "You did not know that you were born for this moment" faßt Asa in einer triumphierenden Ansprache das Schicksal Katjas zusammen, "but you sensed it, didn't you? That's why my portrait was a constant temptation to you. You felt that your life and your body were mine. You felt like me because you were destined to become me. The love that young man had for you could have saved you, do you know that? You might have been happy together, but I was stronger." Und Katja beginnt zu altern, scheint unter dem unnachgiebigen Griff förmlich dahinzuwelken - oder ist es eigentlich nichts anderes als eine vorbestimmte Verschmelzung zwischen Licht und Schatten? Das Gesicht der Hexe glättet sich, die Wundmale verschwinden, doch als sie sich mit den Lippen Katjas Hals nähert, um die Symbiose zu vollenden, schreckt sie zurück: Noch immer trägt Katja die Kette mit dem Kruzifix, noch immer untersteht sie der gottgewolten Welt- und Moralordnung.
Andrej stürzt aufgelöst zur Rettung herbei (immerhin hat er schon einen Zweikampf mit Javutich hinter sich, in dessen Verlauf dieser sein Ende in der Fallgrube fand) und sieht sich mit der doppelten Barbara Steele sprich Asa/Katja konfrontiert. Natürlich hält er die verjüngte Asa für die richtige Katja, was diese mit teuflischer Raffinesse für sich nutzen will, indem sie ihn auffordert, dem welken aufgebahrten Gruftgeschöpf (zu dem Katja mittlerweile geworden ist) mittels Hammer und Eisennagel den Garaus zu machen. Doch dieses "Happy End" ist Asa (und dem unweigerlich mit ihr hoffenden Zuschauer) nicht vergönnt, und es kommt in der Climax des Films zum konventionellen Sieg des "Guten": Der Doktor entdeckt im letzten Moment das Kruzifix an Katjas Hals und erkennt somit Asas teuflischen Plan - als er ihr den Mantel herunterreißt, erscheint ihr Körper immer noch als halbverwestes Gerippe. Vom Priester angeführt, stürzt eine aufgebrachte, mit Fackeln und Mistgabeln bewaffnete Bauernmeute in die Gruft und ergreift Asa. Im Feuer eines improvisierten Scheiterhaufens findet sie unter dem Gejohle des Pöbels ihr endgültiges Ende. Und während ihr haßverzerrtes Gesicht in den Flammen zu altern beginnt, verwandelt sich zeitgleich Katja zurück, verjüngt sich, bis sie zum Entzücken Andrejs wieder zu atmen beginnt. Die Hexe ist tot, die Liebenden haben sich gefunden, doch die Familie ist zerstört - ob und welche Spuren Asa in Katjas Persönlichkeit hinterlassen hat, werden wir nie erfahren...

Für seine Produzenten war La maschera del demonio eine Antwort auf die Erfolge der britischen Konkurrenz (der Titel war eine ironische Anspielung auf die Hammerproduktion The Curse of Frankenstein, die in Italien als La maschera di Frankenstein die Kinokassen gefüllt hatte) und wurde diesem Anliegen auch gerecht. Der Film konnte in Italien und auch international große Erfolge verbuchen, und fand sogar Anerkennung in der "seriösen" Filmkritik. 1961 erwarb die amerikanische Produktionsfirma AIP für 100.000 $ die Verleihrechte für das englischsprachige Ausland, wodurch für Galatea Film mit einem Schlag die Produktionskosten ausgeglichen wurden. Doch es war nicht die ursprüngliche englischsprachige Fassung Mask of Satan, die die AIP in die amerikanischen Kinos bringen sollte: Für den damaligen US-Zeitgeist waren religiöse Blasphemien zu starker Tobak und so war schon einmal das Wort Satan in einem Filmtitel unerwünscht; der Film wurde also kurz und prägnant in Black Sunday umbenannt. Des weiteren wurde La maschera... auch neu synchronisiert, Roberto Nicolosis kongeniale Originalmusik durch einen "gruseligen" Soundtrack von Les Baxter ersetzt und der Film um über drei Minuten zu "zweideutigen" Materials gekürzt. In Großbritannien scheiterte La maschera... zunächst an dortigen Zensorenlaunen: Aufgrund der für damalige Verhältnisse allzu drastischen Schocksequenzen blieb der Film bis zum Jahre 1968 von britischen Kinoleinwänden verbannt - merkwürdig, denkt man an die zeitgleich entstandenen farbenfrohen Blutbäder der Hammer-Studios.
Doch La maschera... ist weitaus mehr als ein schnell gedrehtes B-Picture, das seinen Produktionsetat um ein Vielfaches wieder einspielte. In seinem unnachahmlichen visuellen Stil vermengte Bava Elemente des expressionistischen Stummfilms mit einer schon fast barocken schwelgerischen Sinnlichkeit der Bildsprache und erschuf mit diesem Film ein Schlüsselwerk, ein Stück Nouvelle Vague des Horrorkinos. Sein Debüt war der Auslöser einer ganzen Serie von Gothic Horror-Produktionen, die das italienische Genrekino der 60er Jahr prägen sollten.
Bedauerlicherweise blieb La maschera... die einzige Zusammenarbeit zwischen Mario Bava und der Schauspielerin Barbara Steele. Für Steele bedeutete die Rolle der Asa/Katja den Beginn einer überraschenden (und irgendwo auch anders gedachten) Karriere. Nach einem abgebrochenen Kunststudium, diversen Theater- und ersten Filmerfahrungen in England und einem Fehlstart in Hollywood zog es sie zurück nach Europa. Von 1960 bis 1966 wirkte sie in allein 9 italienischen Low Budget-Produktionen mit - leider bekam sie nur in einem Bruchteil dieser Filme die Gelegenheit, sich selbst zu synchronisieren; auch in der englischsprachigen Fassung von La maschera... ist nicht ihre Stimme zu hören. Sie äußerte sich im Nachhinein oft kritisch über ihre Horrorfilme, bemängelte, daß diese zu sehr die Filme von Regisseuren als von Schauspielern seien, daß dramatische Momente Vorrang vor einer ausgeprägten psychologischen Gestaltung der Charaktere hätten. Jedoch fand Steele, die in ihrer optischen Erscheinung alles andere als das "frische" und "natürliche" Frauenbild des filmischen Realismus verkörperte, sich gerade hier in einem Umfeld wieder, das ihr - trotz des damit einhergehenden Typecastings als dominanter dunkler Racheengel - die Möglichkeit gab, ihren eigenen Schauspielstil zu entwickeln. Die Schwachpunkte und Dialogmängel, die sie in ihren Rollen sah, das frustrierende Wissen darum, daß es oft genug eine fremde Stimme war, die in den fertigen Filmen ihren Dialog sprach, kompensierte sie, indem sie einen extrem mimischen, expressiv-divaesken Stil der Darstellung entwickelte. Es gelang ihr - ganz in der Tradition der klassischen Vamps - jeder ihrer Gesten eine tiefere Bedeutung zu verleihen, ihren Körper als perfekt arrangiertes Objekt in die Bilder einzufügen und eine Szene allein durch ihre charismatische Präsenz zu dominieren. Sie wurde für ihre Verehrergemeinde "La Steele", eine nokturne Diva, tödlich verheißungsvolle Femme Fatale alptraumhafter Zelluloidwelten, und ihr seltsam-schönes Gesicht - von Bavas Kamera in La maschera... oft genug in abstrahierenden Close-Ups abgelichtet, in denen ihre Züge fast wie eine surreale Landschaft erschienen - bekam nahezu Symbolcharakter, wurde zu einem Fetisch des Phantastischen Kinos. Sie stand u. a. unter der Regie von Roger Corman (The Pit and the Pendulum, 1961), David Cronenberg (They came from within, 1975) und Jonathan Demme (Caged Heat, 1974) vor der Kamera, doch der eigentliche Höhepunkt ihrer Laufbahn blieb für sie immer ihre Arbeit mit Federico Fellini, der für sie "this great magician" war und in dessen Filmen La dolce vita und 8 1/2 sie 1963 mitwirkte. Die enthusiastische Verehrung ihrer Horrorfilme konnte sie jedoch nur eingeschränkt nachvollziehen: "It's not me they're seeing. They're casting some projection of themselves, some aspect that I somehow symbolise. It can't possibly be me."

© Thomas Wagner
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Daten zum Film:

LA MASCHERA DEL DEMONIO (weitere Titel: LE MASQUE DU DÉMON, DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT, MASK OF SATAN, BLACK SUNDAY)
Italien/Frankreich 1960, schwarzweiß
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Bava, Ennio de Concini, Marcello Coscia, Mario Serandrei (basierend auf Nikolai Gogols Erzählung "Der Wij")
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Ubaldo Terzano
Musik: Roberto Nicolosi (US-Version: Les Baxter)
Schnitt: Mario Serandrei
Darsteller: Barbara Steele (Asa/Katja), John Richardson (Andrej Gorobek), Andrea Checchi (Choma Kruvajan), Arturo Dominici (Javutich), Ivo Garrani (Prinz Vajda), Enrico Olivieri (Konstantin)


Externe Links:

B-Movies: Sehr schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Sense of View: Review (deutsch)
The Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth

Trailer:
The New York Times: Trailer (Real + Windows Media)


Veröffentlichungen:

DVD:
- BLACK SUNDAY, Image Entertainment (USA) - diese Fassung ist gekürzt!
- DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT, e-m-s (Deutschland)
- LE MASQUE DU DÉMON, Films sans frontieres (Frankreich) - diese Fassung ist gekürzt!
- LA MASCHERA DEL DEMONIO, RHV (Italien)

VHS:
- BLACK SUNDAY, Video Collector's Edition (UK) - diese Fassung ist gekürzt!
- MASK OF SATAN, Redemption Films (UK), nicht mehr erhältlich - diese Fassung ist gekürzt!
- LA MASCHERA DEL DEMONIO, Collezione Rosso Sangue (Italien)