Alles oder nichts:
DIABOLIK

Diabolik, der maskierte Superdieb im schicken schwarzen Catsuit, hält die Welt in Atem und raubt seinem Gegenspieler Inspektor Genco die letzten Nerven. Gemeinsam mit seiner Geliebten und Muse Eva Kant führt dieses verbrecherische Genie ein ausgesprochen hedonistisches Dasein und das Stehlen ist für ihn weitaus mehr, als das profane Anhäufen fremder Reichtümer - es ist eine Kunst, die dieses kriminelle Genie mit Hilfe modernster Technik täglich mehr vervollkommnet...
Nachdem er am hellichten Tage 10 Millionen Dollar aus einem staatlichen Geldtransport geraubt hat, täuscht er bei der anschließenden Verfolgungsjagd seinen Tod vor. Als der Innenminister diese Nachricht triumphierend bei einer Pressekonferenz verkünden will, fällt er einem Lachgas-Attentat Diaboliks zum Opfer und darf im Anschluß - im wahrsten Sinne des Wortes - der Lächerlichkeit preisgegeben, seinen Rücktritt einreichen. Inspektor Genco veranlaßt daraufhin eine gnadenlose Säuberung in der Unter- und Halbwelt der Stadt. Hauptleidtragender dieser Aktion ist der Syndikatsboß Ralph Valmont, der schließlich - um endlich wieder in Ruhe seinen "Geschäften" nachgehen zu können - der Polizei seine Unterstützung anbietet.
Als der britische Finanzminister nebst Gattin zu einem Staatsbesuch eintrifft, werden Diabolik und Eva durch einen Fernsehbericht auf die kostbare Smaragdhalskette jener Dame aufmerksam. Eva wünscht sich dieses Kleinod zum Geburtstag und Diabolik geht erneut ans Werk. Natürlich gelingt auch dieser Coup, doch wird Eva auf der Flucht leicht verletzt und muß tags darauf einen Arzt aufsuchen. Dort wird sie jedoch von Valmont und seinen Leuten gekidnappt und auf eine kleine Insel geschafft. Valmont verlangt 10 Millionen Dollar und die Halskette für Evas Freilassung, doch in Wirklichkeit plant er, Diabolik bei der Lösegeldübergabe an die Polizei auszuliefern. Auf der Insel kommt es schließlich zu einem Feuergefecht zwischen Diabolik, Valmonts Leuten und der Polizei, in dessen Verlauf der Syndikatsboß getötet wird. Diabolik kann Eva die Flucht ermöglichen, er selbst muß allerdings zurückbleiben. Mittels einer Droge versetzt er sich selbst in einen Scheintod und kann so abermals Inspektor Genco überlisten.
Als die verzweifelte Regierung daraufhin ein Kopfgeld von 1 Million Dollar auf Diaboliks Ergreifung aussetzt, beginnt dieser sämtliche Einrichtungen des Finanzministeriums in die Luft zu sprengen. Da somit auch alle Akten und Steuerunterlagen vernichtet sind, zahlt niemand im Land mehr Steuern und dem Staat droht der endgültige Bankrott.
Schließlich entwirft Genco einen gewagten Plan: Er läßt die verbliebene staatliche Goldreserve zu einem 20-Tonnen-Barren einschmelzen und dem Gold radioaktive Elemente (!) beifügen - sollte Diabolik diesen Barren stehlen, ist die Polizei aufgrund der Strahlung in der Lage seinen Schlupfwinkel ausfindig zu machen. Die Rechnung des Inspektors geht auf, die Gier des Meisterdiebs ist größer als seine Vorsicht: Diabolik läßt den Zug mit dem Gold entgleisen und in das Meer stürzen. Mit Hilfe eines Mini-U-Boots kann er seine Beute bergen und in sein Versteck schaffen; doch gerade als er dabei ist, den Barren einzuschmelzen, stürmt die Polizei die Höhle. Durch Überhitzung platzt der Kessel mit dem flüssigen Gold, das kochende Edelmetall ergießt sich über den - glücklicherweise einen Asbestanzug tragenden - Diabolik und verwandelt ihn in eine goldene Statue.
Dies könnte ein adäquates Ende für Diabolik sein, ist es aber mitnichten: Als Eva sich am Schluß des Films von dem vemeintlich Toten verabschieden will, öffnet dieser die Augen und sein, im wahrsten Sinne des Wortes, diabolisches Lachen ertönt aus dem Off - Diabolik lebt ...

Diabolik basiert auf dem seit 1962 erscheinenden, gleichnamigen italienischen Kultcomic von Angela und Luciana Giussani und kann zugelcih auch als eine kommerziell geschickte Antwort auf den Erfolg der britischen James Bond-Filme und André Hunebells von 1964-65 entstandene Fantomas-Trilogie betrachtet werden. Der Film bescherte Mario Bava das größte Budget seiner Karriere: Produzent Dino DeLaurentiis stellte für dieses Projekt runde 3 Millionen Dollar zur Verfügung. Für Bava, der bescheidene Etats gewöhnt war, die selten über 100.000 Dollar lagen, war dies wahrscheinlich eine Summe, die sich der Vorstellungskraft entzog. Er verbrauchte für die Fertigstellung des Films gerade einmal 400.000 Dollar - fast alle der beeindruckenden Sets, so z. B. der im wunderschönsten Sixties-Popart-Futurismus entworfene unterirdische Stützpunkt Diaboliks, wurden tricktechnisch (mit Hilfe von Miniaturmodellen, Spiegeln, gemalten Hintergrundbildern etc.) gestaltet und auch auf kostspielige Auslandsdrehs wurde verzichtet. Bava, der es haßte Italien zu verlassen und am liebsten im Studio arbeitete, hatte es überhaupt nicht nötig on location zu drehen; er gestaltete sich die erforderlichen Welten einfach selbst. Diaboliks aus Jaguar E-Types bestehender Fuhrpark dürfte zu den teuersten Requisiten in diesem Film gehört haben.
Diabolik zeichnet sich durch einen ausgesprochen eleganten Look aus und die (stellenweise an Roger Vadims Barbarella erinnernden) futuristischen Kulissen in der unterirdischen Höhle sind in puncto Design und Tricktechnik eine Meisterleistung. Kongenial untermalt wird das Ganze durch Ennio Morricones brillanten Psychedelic Pop-Soundtrack, dessen Mastertapes leider nach den Dreharbeiten bei einem Lagerhausbrand komplett vernichtet wurden und der dadurch nie veröffentlicht werden konnte (die einzige Ausnahme bildet die italienische Singleversion des Titelsongs Deep Down, die auf der CD Canto Morricone Vol. 1 zu finden ist).
Mit Diabolik gelang Mario Bava ein quintessentielles Stück Sixties-Popart-Kino, ein grandioses Relikt einer Ära, die sich zwar niemals mehr zurückholen läßt, deren Einflüsse aber auch heute noch spürbar sind. Die den Film prägendenden Popart-Stilmittel - exzessive Weitwinkelaufnahmen, ungewöhnliche Kameraperspektiven und eine immens farbenfrohe Ausleuchtung - waren dem Regisseur ohnehin nicht fremd; man könnte fast meinen, daß er sie miterfunden hätte.
Diabolik-Darsteller John Philip Law (der u. a. auch in Barbarella und in Roger Cormans Von Richthofen and Brown mitwirkte) erscheint als eine perfekte Entsprechung der Comicfigur. Für die Rolle Evas war ursprünglich Catherine Deneuve vorgesehen, die jedoch einen Rückzieher machte, weil sie keine Nacktszenen drehen wollte (dies mutet seltsam an, betrachtet man diese recht dezent in Szene gesetzten Sequenzen in Diabolik). So wurde schließlich die gebürtige Österreicherin Marisa Mell für diesen Part engagiert, eine ehemalige Absolventin des Max Reinhard-Seminars in Wien, die im Verlauf der 70er Jahre in zahlreichen italienischen Genreproduktionen (so z. B. in Lucio Fulcis Gialloklassiker Una sull'altra) mitwirkte. Mit von der Partie sind außerdem der Charakterdarsteller Michel Piccoli (er spielte u. a. auch unter der Regie von Hitchcock, Godard und Bunuel) als Inspektor Genco, Adolfo Celi in einer auf ihn zugeschnittenen Paraderolle als Gangsterboß Valmont und der britische Komiker Terry-Thomas als entnervter Innenminister.

Ein immenses Tempo und eine - durch Diabolik und Eva verkörperte - unbändige Lebenslust durchzieht diesen Film. Der Zeitgeist der späten Sixties läßt sich hier überdeutlich spüren und so erscheint Bavas Diabolik fast wie der Comic Strip-Geist einer neuen Generation - er ist ein Individualist und Anarchist, der für das Leben an sich und nicht für die imaginären Werte des konservativen Establishments lebt. Das Geld, das er raubt, ist für ihn einfach nur Mittel zum Zweck (so läßt er die anfangs geraubten Millionen über das Bett regnen, in dem er sich mit Eva vergnügt), ebenso wie die Smaragdhalskette, die er nur stiehlt, um seiner Geliebten einen Wunsch zu erfüllen - in einer Welt die von Bürokraten, Militaristen und Krämerseelen regiert wird, erscheint das hedonistische Traumpaar Diabolik und Eva als die eigentlichen Sympathieträger.

Dino DeLaurentiis war von Diabolik und dessen Erfolg so beeindruckt, daß er Bava anbot mit dem verbliebenen Rest des Budgets eine Fortsetzung zu drehen. Doch Mario Bava, der von dem aufgeblähten Bürokratieapparat dieser Produktionsstudios und der damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen ohnehin schon entnervt war, lehnte dankend ab: "DeLaurentiis bestand darauf, daß nicht ein einziger Tropfen Blut in diesem Film vergossen werden dürfte - können Sie sich das bei einer Figur wie Diabolik vorstellen? Ich teilte ihm mit, daß Diabolik außerstande war sich zu bewegen, daß er an einer andauernden Behinderung litt, daß er tot war!"

© Thomas Wagner
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Daten zum Film:

DIABOLIK
(weitere Titel: GEFAHR: DIABOLIK, DANGER: DIABOLIK)
Italien/Frankreich 1967, Farbe
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Bava, Dino Maiuri und Tudor Gates (nach dem Comic von Angela und Luciana Guissani)
Kamera: Mario Bava
Kameraführung: Antonio Rinaldi
Musik: Ennio Morricone
Schnitt: Romana Fortini
Darsteller: John Philip Law (Diabolik), Marisa Mell (Eva), Michel Piccoli (Inspektor Genco), Adolfo Celi (Ralph Valmont), Terry-Thomas (Finanzminister), Claudio Gora (Kommissar)


Externe Links:

B-Movies: Sehr schönes Bildmaterial + Inhaltsangabe
Filmtagebuch: Filmkritik
The Mario Bava Web Page: English review by Troy Howarth
uppers.org: Thrilling fumetti of the 1960s - Italian Comics Part I Danger: Diabolik
Diabolik Italia - Sito Ufficiale (offizielle ital. Diabolik-Comic-Website)

Trailer:
YouTube

Videoclips:
YouTube: Diabolik Chase Scene
YouTube: Lorry Scene
YouTube: Under Water Scene
YouTube: Tiromancino - "Amore impossibile" (Videoclip im DIABOLIK-Design von Lamberto Bava)
Tiromancino.com: "Amore impossibile" (Videoclip-Download, Quicktime 9,2 MB)
Tiromancino.com: "Amore impossibile" (Videoclip-Download, Quicktime 3,3 MB)


Veröffentlichungen:

DVD:
- DANGER: DIABOLIK, Paramount (USA)
- DIABOLIK, Bootleg (UK)

VHS:
- DANGER: DIABIOLIK, Paramount (USA)