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MEDUSAS SPIEGELBILD
Barbara Steele in "La Maschera del Demonio"
"Entering the cool, dark set was like entering
a medieval cathedral on a midsummer afternoon. Echoes of an ancient civilization
that has been dormant for centuries. This odd silence descended upon us, this
hushed, suspended world ... The whole film was so monochromatic that nobody, not
even a crew member, wore a single color on the set - hypnotically beautiful ..."
Barbara Steele über die Drehbarbeiten zu LA MASCHERA DEL DEMONIO
Manche
Filme können wie Träume sein. Ihre Bilder verfolgen den Betrachter,
erringen sich irgendwo in seinem Kopf einen unauslöschlichen Platz, machen
süchtig, und einige von ihnen vermögen Seltsames, können einen
im Hirn verborgenen Filmprojektor in Gang setzen ... Eine obskure Art doppelter
Projektion beginnt dann: Film/Auge, Mensch/Film. Eine Verschmelzung der Phantasie
mit dem Gesehenen, der Magie des Visuellen. Ein Film kann zum Traum, ein Bild
zur Obsession, ein Gesicht zu einem Fetisch werden.
Eines der schönsten Beispiele für derartige Phänomene ist Mario
Bavas 1960 entstandenes Regiedebüt LA MASCHERA DEL DEMONIO: ein Kleinod in
Schwarzweiß, ein Stück visueller Poesie, bei dessen Betrachtung man
sich heute nur fragen kann, wie es überhaupt einmal möglich war, solche
Filme zu drehen ...
Im italienischen Kino der Nachkriegszeit, das vom Neorealismus geprägt und
dominiert wurde, war der phantastische bzw. Horrorfilm quasi nicht existent. Erst
der Regisseur Riccardo Freda brachte 1957 mit I VAMPIRI den Horrorfilm auf italienische
Leinwände zurück. Freda, der seine filmischen Ambitionen mit den lakonischen
Worten "Ich bin nicht im mindesten am banalen Alltäglich-Menschlichen
interessiert" zusammenfaßte, schreckte nicht davor zurück, sich
bei Stilmitteln des alten phantastischen Melodrams zu bedienen, um diese mit neuen
Techniken und Erzählweisen zu verbinden. Zwar war I VAMPIRI seinerzeit noch
ein Flop, doch als sich zum Ende der 50er Jahre mit den internationalen Erfolgen
der britischen Hammerstudios eine Renaissance des Horrorfilms anzubahnen begann,
sollten schließlich auch italienische Produktionsfirmen wieder auf das mißachtete
Genre aufmerksam werden.
Mario Bava (1914-1980) begann sein Laufbahn als Kameramann und Experte für
optische Spezialeffekte und arbeitete 1956 in dieser Funktion auch an Fredas I
VAMPIRI mit. Als Freda sich während der Dreharbeiten mit den Produzenten
überwarf und das Projekt kurzerhand abbrach, übernahm Bava die Regie
und drehte den Film innerhalb von nur zwei Tagen fertig. Sein Talent wurde in
den folgenden Jahren noch mehrmals von den Produzenten ausgenutzt, indem man Filme,
deren Regisseure mit der Weiterarbeit verhindert oder auch abgesprungen waren,
unter Bavas Regie fertigstellen ließ - eine offizielle Würdigung in
den Credits erfuhr Bava diesbezüglich nie. Als er 1959 wieder einmal für
Riccardo Freda (in CALTIKI - IL MOSTRO IMMORTALE) und schließlich auch noch
für Jacques Tourneur (in LA BATTAGLIA DI MARATONA) die Regie übernehmen
mußte, gab die Produktionsfirma Galatea ihm endlich die Gelegenheit zu einem
eigenen Filmprojekt. Es war ein von Nikolai Gogols Novelle DER WIJ inspiriertes
Szenario, das Bava den Produzenten präsentierte. Gogols auf einem alten russischen
Märchen basierende und dementsprechend folkloristisch angelegte Geschichte
wird in diesem Szenario nur als inspirierende Basis verwendet. Die Namen einiger
Protagonisten, prägnante Bilder (so z. B. die
Erscheinung der untoten Hexe, das Zerbersten ihres Sargdeckels und der Herr der
Toten, bei der Protagonist Choma feststellt, "daß sein Gesicht aus
Eisen war") und vor allem die gespenstische Aura der Vorlage werden in dem
Drehbuch geschickt zu einem schwarzromantischen gotischen Schauermärchen
verwoben. Auch in Marcel Schwobs Erzählung DIE VAMPIRE lassen sich - obwohl
sie nicht als literarische Vorlage genannt wird - Parallelen finden: von merkwürdigen
Vampirwesen, die sich an Verstorbenen laben, ist dort die Rede. Sie bedecken das
Gesicht ihres toten Opfers mit einer Maske, um die von ihnen verursachten trichterförmigen
Löcher im Fleisch zu verbergen ...
Die verantwortlichen Produzenten waren dem Skript gegenüber äußerst
skeptisch eingestellt, doch Bava verwies auf die Erfolge der britischen Konkurrenten
und beharrte darauf, daß auch das italienische Publikum reif für eine
neue Form des Horrorfilms sei. Seine Argumentation setzte sich durch und so entstand
schließlich 1960 sein Regiedebüt LA MASCHERA DEL DEMONIO (der Titel
war übrigens eine ironische Anspielung auf die Hammerproduktion THE CURSE
OF FRANKENSTEIN, die in Italien als LA MASCHERA DI FRANKENSTEIN die Kinokassen
gefüllt hatte). Für die (Doppel)Hauptrolle der Asa/Katja engagierte
man eine unbekannte junge Schauspielerin aus England, die damals 22jährige
Barbara Steele...
Die folgende Filmbesprechung basiert auf der englisch synchronisierten Fassung
THE MASK OF SATAN.
Der
Anfang des Films führt uns zurück in das Jahr 1630, in eine Nacht irgendwo
in Moldawien. Lodernde Fackeln und Scheiterhaufen beleuchten eine gespenstische
Szenerie: die Inquisition hält Gericht über Prinzessin Asa und ihren
Vetter und gleichzeitigen Geliebten Javutic. Während Javutic, das Gesicht
von einer eisernen Teufelsmaske bedeckt, bereits leblos in seinen Fesseln hängt,
stehen Asa die Torturen noch bevor. Nachdem man sie ausgepeitscht und ihr das
Hexenmal auf den Rücken gebrannt hat, verurteilt der Großinquisitor
- ihr eigener Bruder - sie wegen Hexerei und Buhlerei mit dem Teufel ebenfalls
zum Tode. Noch im Angesicht des Todes verflucht sie ihre gesamte bigotte Familie
und schwört, zu den Lebenden zurückzukehren, um ihre Rache zu vollenden:
"... and in the blood of your sons and in the sons of your sons I will continue
to live, immortal!" Doch es sind nicht nur die Söhne, derer sich Asa
im Verlauf des Films annehmen wird ...
Das Urteil wird vollstreckt und eine an der Innenseite mit fingerlangen Dornen
versehene eiserne Dämonenmaske wird vom Henker auf Asas Gesicht genagelt.
Diese Prozedur ist von Bava ebenso drastisch wie geschickt in Szene gesetzt worden,
indem er den Zuschauer gleichzeitig zum Voyeur und zum Opfer werden läßt.
Ein Fleischberg von Henkersknecht nähert sich mit der monströsen Maske
der Kamera, immer näher kommen ihre unheilverheißenden Dornen dem Auge
des Betrachters - ein Schnitt zeigt die sich verzweifelnd in ihren Fesseln windende
Barbara Steele, ein weiterer eine Großaufnahme ihres Gesichts, ihrer vor
Entsetzen geweiteten Augen, dunkler Spiegel des Grauens. Mit einem absurd überproportionierten
Hammer vollendet der Henker schließlich sein Werk.
Aus Furcht vor Asas Fluch beschließt man, die Leichen auf dem Scheiterhaufen
zu verbrennen, um somit wirklich alle Spuren der Prinzessin und ihres Geliebten
von der Erde zu tilgen; ein gewaltiger Wolkenbruch, der plötzlich einsetzt,
löscht jedoch die "reinigenden" Flammen. Javutic wird in ungeweihter
Erde begraben und Prinzessin Asa in ihrer Familiengruft beigesetzt (sorgsam abgesichert
durch die Maske und die Gegenwart christlicher Symbole, versteht sich). Die ganze
Nacht über werden die Glocken geläutet, um die Dämonen zu vertreiben...
Zwei
Jahrhunderte nach Asas Tod durchreisen der Gelehrte Professor Choma Kruvajan und
sein junger Assistent Andrej Gorobek denselben Landstrich. Es ist eine unwirklich
scheinende, alptraumhafte Landschaft, in die die Kutsche der Reisenden eintaucht.
Durch verwinkeltes Geäst hindurch, das sich wie die Klauen halbmenschlicher
Fabelwesen ausstreckt, kann der Betrachter verfolgen, wie der Weg immer tiefer
in einen nebeldurchfluteten, verwunschenen Wald führt - ein unwirklicher
Mikrokosmos der Magie und Schattenwesen, der unwillkürlich Erinnerungen an
Jean Cocteaus "La belle et la bete" wachruft. Als ein Rad der Kutsche
bricht, nimmt das Unheil seinen Lauf: Während der Kutscher unter großem
Gejammer die Misere repariert, vertreten sich Kruvajan und Gorobek ein wenig die
Beine und entdecken dabei die halb eingestürzte alte Kapelle, unter welcher
sich Asas Familiengruft befindet. Eine spinnwebverhangene, surreale Atmosphäre,
die an die Stummfilmklassiker des deutschen Expressionismus und an die Kameraarbeit
Karl Freunds (der eben dieser Schule entstammte) in den brillanten Anfangssequenzen
von Tod Brownings DRACULA erinnert, empfängt die Beiden. Als sie Asas Grab
entdecken, wird der Professor einer letzten Warnung gleich plötzlich von
einer Fledermaus attackiert, bei deren Abwehr er versehentlich den Sarkophagdeckel
beschädigt. Als Paradeexemplar eines unorthodox denkenden Intellektuellen
macht er sich - von den Erzählungen des Kutschers ebenso unbeeindruckt wie
von den Bedenken Andrej Gorobeks - voller Neugier daran, Asas letzte Ruhestätte
zu examinieren. Er entdeckt in dem Grab eine geheiligte alte Ikone, die er kurzerhand
an sich nimmt, und entfernt die Teufelsmaske, die immer noch das Antlitz der Leiche
bedeckt - eine Prozedur, die auch für heutige Verhältnisse noch bemerkenswert
widerlich inszeniert ist: Von einem schmatzenden
Geräusch begleitet, löst sich die eiserne Fratze und enthüllt das
unverweste maskenhafte Gesicht Asas, in deren leeren Augenhöhlen sich Skorpione
und anderes Krabbelgetier tummeln. Von Kruvajans verletzter Hand tropft ein wenig
Blut auf die Unterlippe der Toten ...
Auf dem Rückweg zur Kutsche begegnen Kruvajan und Gorobek einer schwarzgewandeten,
seltsam melancholischen jungen Frau, die sich als Prinzessin Katja vorstellt und
erzählt, daß die Kapelle mit zu dem Grundbesitz ihres Vaters, Prinz
Vajda, gehört, der sich aus unerfindlichen Gründen weigere, das vor
Jahren bei einem Erdbeben zerstörte Gebäude restaurieren zu lassen.
Und während die beiden Reisenden sich auf dem Weg in das Dorfgasthaus machen,
beginnt sich Asas Leichnam in der Gruft zu beleben ...
Eine bedrückte Stimmung herrscht am gleichen Abend im Schloß Prinz
Vajdas. Infernalisches Wolfsgeheul zieht um das Gemäuer, derweil der alte
Prinz seinen Kindern Katja und Konstantin von der Legende um ihre gefürchtete
Vorfahrin Asa erzählt, und plötzlich wird ein finsteres Vorzeichen entdeckt:
ein Portrait Prinzessin Asas scheint sich auf eine undefinierbare Art verändert
zu haben und besonders die - Asa wie aus dem Gesicht geschnittene - Katja nimmt
diese Veränderung wahr: "There's something alive about it, something
different about the eyes, the hands, as if it were hiding something ... Sometimes
I'm afraid to go near it." Auf eine merkwürdige Art scheint sie von
dem Bild ebenso abgestoßen wie angezogen zu werden und der Prinz erzählt,
wie vor vielen Jahren Prinzessin Masha - auch sie ein Ebenbild Asas - in ihrem
21. Lebensjahr unter mysteriösen Umständen dahinschied. Auch Katja ist
jetzt 21 Jahre alt ... Seltsamerweise hat die Familie Vajdas in einer eigentümlichen
Mischung aus fatalistischer Furcht und Besessenheit von der eigenen Geschichte
wohl in all den 200 Jahren nie den Versuch unternommen, sich vom Andenken an die
ungeliebte und gefürchtete Vorfahrin zu befreien - sogar ein Bild Javutics
hängt noch neben Asas Portrait. Die Zerstörung einer Familie - in ideeller
wie physischer Hinsicht -, die sich hier bereits anzubahnen beginnt, sollte auch
in Bavas weiteren Filmen noch oft ein zentrales Thema sein.
Später hat Prinz Vajda eine grauenvolle Vision: im Weinglas erscheint ihm
das Bild der eisernen Teufelsmaske. Zwar schon halb regeneriert, doch noch zu
schwach, um ihren Sarg zu verlassen, beschwört Asa aus der Gruft hinaus ihren
toten Liebhaber Javutic, der sich in einer beeindruckend realisierten Szene daran
macht, aus seinem Grab aufzuerstehen: Durch das Fenster einer Scheune hindurch
fährt die Kamera auf einen Friedhof zu, verharrt schließlich vor einem
verwitterten Grabstein. Nebelschwaden fließen durch das Bild, Blitze zucken,
und begleitet von Donnergrollen brandet heftig ein Sturm auf - eine untermalende
Symphonie
für den nachfolgenden Akt der Auferstehung, der eigentlich schon mehr die
metaphorische Travestie einer Geburt ist: die Erde auf dem Grab beginnt sich zu
bewegen, lockert sich und platzt auf. Ein Paar verkrusteter Hände schiebt
sich durch die bröckelnde Grabdecke und der durch Asas Ruf reanimierte Javutic
kämpft sich blind tastend ins Freie. In einer geradezu schmerzhaften Geste
reißt er die Dämonenmaske herunter, die seit zwei Jahrhunderten sein
Gesicht bedeckt, und wird fortan Asas getreuer Erfüllungsgehilfe sein. Überhaupt
ist Javutics Metamorphose vom einstigen Liebhaber zum Diener/Quasi-Sohn der Hexe
ein damals auffälliges Phänomen im Genre Vampirfilm. Er hat nichts gemein
mit der üblichen dominanten Verführergestalt des männlichen Vampirs,
wie ihn z. B. Christopher Lee verkörperte. Trotz der optischen Ähnlichkeit
mit einem gewissen Vlad Tepes ist nicht er der Versucher, der die Sterblichen
zu Marionetten seines höllischen Spiels machen wird, sondern die in ihrer
Gruft wartende Asa. Ihr in devoter Hingabe zu dienen, wird von nun an der einzige
Zweck seiner Existenz sein. Dennoch war es wohl unumgänglich, den Film in
Deutschland unter dem ebenso debilen wie irreführenden Titel DIE STUNDE WENN
DRACULA KOMMT aufzuführen.
Im Verlauf der Nacht wird Prinz Vajda von dem Untoten heimgesucht und erleidet
vor Angst einen Herzanfall. Katja und ihr Bruder Konstantin beschließen
Professor Kruvajan zu Hilfe holen zu lassen, nicht ahnend, daß dieser bereits
von Javutic auf das Schloß eingeladen wurde - scheinbar um dem kranken Prinzen
zu helfen.
In
einer apokalyptisch gespenstischen Fahrt - eine großartige Szene, die in
ihrer visuellen Kraft an die Bilder Murnaus und Bergmans erinnert - bringt eine
prächtige, goldverzierte Kutsche den Professor bis vor das Schloß des
Prinzen. Doch die Dinge sind in LA MASCHERA ... nie was sie scheinen: Von Javutic
durch ein unüberschaubares Netz von Geheimgängen geführt, findet
sich der Gelehrte zu seiner Überraschung nicht im Schloß, sondern in
der Gruft, direkt vor Asas Sarg wieder. Es ist zu spät zur Flucht, als er
die Gefahr realisiert, und es folgt eine weitere Szene, die LA MASCHERA ... unvergeßlich
macht: Die Wände des Sarkophages beginnen zu vibrieren, zu beben, zerbersten
schließlich in einem donnernden Crescendo, das die ganze Gruft in ihren
Grundmauern erschüttert. Ein konvulsives Zucken fährt duch den Körper
der aufgebahrten Asa, als sie - nun endlich erlöst von ihrem steinernen Kerker
- in gierigen Atemzügen ihre Freiheit inhaliert. Langsam streckt sie eine
Hand in Kruvajans Richtung aus und ordert den inzwischen völlig willenlosen,
von ihrem sprichwörtlichen "bösen Blick" gebannten Professor
an ihr Lager. "Come, kiss me ..." fordert sie den über sie gebeugten
Kruvajan auf und fährt fort: "My lips will transform you - you will
be dead to men but you will be alive in death". Es folgt eine klassische
Abblende. Diese bizarre Verführungsszene ist wohl einer der erotischsten
Momente des phantastischen Kinos an sich, geradezu exemplarisch entlädt sich
das morbid-sinnliche Charisma Barbara Steeles, die ungeheure dunkle Kraft und
Anziehung, die von Asa ausgeht. Sex und Tod werden zu einer Symbiose - in der
US-Synchronisation legte man ihr hier übrigens die Worte "Embrace me
... I can bring you pleasures mortals cannot know..." in den Mund ... In
einer Großaufnahme erscheint hier das noch von den Penetrationen der Nägel
gezeichnete Gesicht der Steele fast wie ein seltsam abstrahiertes Konterfei der
Medusa: unwirklich starren die hypnotischen Augen in die Kamera, wie schwarze
Spiegel, und sie drohen den, der zu lange hineinsieht zu versteinern, zu absorbieren
... "Stare into these eyes" hieß es auf den damaligen Filmplakaten,
"discover deep within them the terrifying secret ..."
Als
sich der nunmehr vampirisierte Kruvajan schließlich doch noch im Schloß
einfindet, verspricht er den besorgten Geschwistern, die Nacht über am Bett
des kranken Vaters zu wachen - vorher besteht er allerdings darauf, daß
sämtliche christlichen Symbole aus dessen Gemach entfernt werden. Erwartungsgemäß
überlebt Prinz Vajda diesen Arztbesuch nicht und wird am nächsten Morgen
blutleer aufgefunden, während vom Professor keine Spur mehr zu entdecken
ist. Der Anblick des von Angst entstellten Gesichts ihres Vaters beschert Katja
eine gnädige Ohnmacht.
Als Andrej Gorobek auf der Suche nach seinem Mentor im Schloß eintrifft,
sieht er sich zwar anfangs mit dem Mißtrauen und den Vorwürfen Konstantins
konfrontiert, kann dessen Bedenken jedoch schnell zerstreuen, indem er der ohnmächtigen
Katja erste Hilfe leistet. Die Szene, in der er der Bewußtlosen behutsam
das Kleid öffnet, läßt schon jetzt darauf schließen, daß
die Ambitionen des Doktors im weiteren Verlauf nicht nur medizinischer Natur sein
werden. Gleichzeitig wird ein von Katja getragenes Kruzifix groß ins Bild
gebracht - ein Symbol, das ihren "guten" und "unschuldigen"
Part in der Geschichte verdeutlicht und später noch entscheidende Bedeutung
erlangen soll.
Der Spuk beginnt nun immer mehr das Leben im Schloß zu infiltrieren. Eine
Abordnung erregter Dorfbewohner berichtet von einem Toten, den man blutleer und
mit zwei seltsamen Malen am Hals aufgefunden habe, und als Andrej Prinz Vajdas
Leichnam untersucht, entdeckt er an dessen Hals (zu niemandes Überraschung)
die gleichen Wunden. Der zum Wiedergänger mutierte Professor Kruvajan, dessen
Haar inzwischen schlohweiß geworden ist, erscheint in der folgenden Nacht
seinem überraschten Schüler, doch als Andrej ihn mit der heiligen Ikone
konfrontiert, sieht der Professor sich zu einer überstürzten Flucht
gezwungen - allerdings nicht ohne seinen Durst vorher noch an den winselnden Schloßdoggen
zu stillen, denn in der Not fressen Teufel bekanntlich Fliegen ...
Andrej Gorobek beginnt zu ahnen, daß die seltsamen Geschehnisse sich nicht
mit seinem akademischen Wissen erklären lassen, zugleich spinnt sich zwischen
ihm und Katja eine fragile Romanze an. Doch obwohl die Prinzessin seine romantischen
Gefühle erwidert, hängt der familiäre Fluch des Blutes über
ihr und fesselt sie in einer morbiden Melancholie: "What is my life? Sadness
and grief ... Something that destroys itself day by day and no one can rebuild
it."
Als eines Nachts ein Feuer das Javutic-Portrait zerstört, entdeckt man, daß
sich dorthinter ein Hohlraum in der Wand befindet. Als Konstantin und Andrej die
kleine Kammer untersuchen, entdecken sie einen Mechanismus, der eine Geheimtür
an der Rückwand des Kamins öffnet, und machen sich daran, den rätselhaften
Durchgang zu erkunden. Nach diesem ersten "initiierenden" Einstieg in
die Schattenwelt entdecken sie in einem dahinter gelegenen kleinen Raum ein weiteres
Portrait Asas - bezeichnenderweise ist sie auf diesem Bild nackt verewigt worden.
Die Funktion der Bilder als Brücken, Schlüssel und Tore zu "anderen"
Welt offenbart sich schließlich auch hier: Eine weitere Geheimtür öffnet
sich den Suchenden hinter dem Gemälde, der Eingang zu dem unüberschaubaren
Netz von Geheimgängen unter dem Schloß, die gleich den Fäden eines
Spinnennetzes von der Familiengruft auszugehen scheinen. Ebendort finden sich
schließlich Andrej und Konstantin wieder und entdecken zu ihrem Entsetzen
die untote aufgebahrte Asa. Während Andrej den Ausgang ins Freie benutzt,
um den Dorfpriester zu Hilfe zu holen, rennt Konstantin auf dem Rückweg Javutic
in die Arme, der ihn kurzerhand durch eine Falltür in einen undefinierbaren
Abgrund wirft.
Als
Andrej in Begleitung des Priesters den Friedhof aufsucht, entdeckt er zuerst die
Teufelsmaske Javutics und schließlich auch ein frisches Grab, in dem sich
der (scheinbar) tote Professor Kruvajan befindet. Andrej ist schockiert und will
gerade dessen Schicksal beklagen, doch der Priester weiß es besser und rettet
das Seelenheil des vampirisierten Wissenschaftlers, indem er ihm einen Eisennagel
durchs Auge treibt - eine Prozedur, die zwar heutiger detaillierter Gore-Effekte
entbehrt, doch von Bava so gekonnt unangenehm in Szene gesetzt wurde, daß
auch sie zur jahrelangen Indizierung des Films in einigen Ländern beitrug.
Im Schloß gerät Prinzessin Katja derweil in einen Zustand kopfloser
Panik. Nachdem sie vergeblich nach Konstantin und Andrej gesucht hat, bricht sie
verzweifelt am aufgebahrten Leichnam ihres Vaters zusammen - nur um im nächsten
Moment zu erleben, wie dieser die Augen öffnet und sich aufrichtet. "I
am no longer your father" kommt es mit hohler Stimme von seinen Lippen, "the
spirirts of evil have rent that tie between us forever." Katja verliert anhand
solcher Offenbarungen das Bewußtsein und der lüstern starrende Vajda
nähert sich seiner Tochter mit unverhohlen unväterlichen Absichten,
als der unvermeidliche Javutic auf der Bildfläche erscheint und ihr - vorerst
- das Leben rettet, indem er den gierigen Greis dem lodernden Kaminfeuer überantwortet.
Die Ohnmächtige wird von ihm in die Gruft gebracht, denn niemand anderes
als Katja soll der untoten Ahnherrin nun zur endgültigen Wiederauferstehung
verhelfen.
Wie in einer bizarren Pieta - gleich einer Allegorie auf den für katholische
Kulturen typischen mythischen Dualismus aus Madonna und Hure - lehnt Katja leblos
vor der aufgebahrten Asa. Langsam, bedächtig tastend, streckt sich die langfingrige
Klauenhand der Hexe nach ihr aus, um dann schließlich mit einem Griff gleichsam
Körper und Seele ihres Ebenbildes in Besitz zu nehmen. Hier wird Asa zum
Archetyp der bösen Märchenhexe, die nach dem Blut (= Leben) der Kinder
giert, um ihre Jugend (= ewiges Leben) wiederzugewinnen. "You did not know
that you were born for this moment" faßt Asa in einer triumphierenden
Ansprache das Schicksal Katjas zusammen, "but you sensed it, didn't you?
That's why my portrait was a constant temptation to you. You felt that your life
and your body were mine. You felt like me because you were destined to become
me. The love that young man had for you could have saved you, do you know that?
You might have been happy together, but I was stronger." Und Katja beginnt
zu altern, scheint unter dem unnachgiebigen Griff förmlich dahinzuwelken
- oder ist es
eigentlich nichts anderes als eine vorbestimmte Verschmelzung zwischen Licht und
Schatten? Das Gesicht der Hexe glättet sich, die Wundmale verschwinden, doch
als sie sich mit den Lippen Katjas Hals nähert, um die Symbiose zu vollenden,
schreckt sie zurück: Noch immer trägt Katja die Kette mit dem Kruzifix,
noch immer untersteht sie der gottgewolten Welt- und Moralordnung.
Andrej stürzt aufgelöst zur Rettung herbei (immerhin hat er schon einen
Zweikampf mit Javutic hinter sich, in dessen Verlauf dieser sein Ende in der Fallgrube
fand) und sieht sich mit der doppelten Barbara Steele sprich Asa/Katja konfrontiert.
Natürlich hält er die verjüngte Asa für die richtige Katja,
was diese mit teuflischer Raffinesse für sich nutzen will, indem sie ihn
auffordert, dem welken aufgebahrten Gruftgeschöpf (zu dem Katja mittlerweile
geworden ist) mittels Hammer und Eisennagel den Garaus zu machen. Doch dieses
"Happy End" ist Asa (und dem unweigerlich mit ihr hoffenden Zuschauer)
nicht vergönnt, und es kommt in der Climax des Films zum konventionellen
Sieg des "Guten": Der Doktor entdeckt im letzten Moment das Kruzifix
an Katjas Hals und erkennt somit Asas teuflischen Plan - als er ihr den Mantel
herunterreißt, erscheint ihr Körper immer noch als halbverwestes Gerippe.
Vom Priester angeführt, stürzt eine aufgebrachte, mit Fackeln und Mistgabeln
bewaffnete Bauernmeute in die Gruft und ergreift Asa. Im Feuer eines improvisierten
Scheiterhaufens findet sie unter dem Gejohle des Pöbels ihr endgültiges
Ende. Und während ihr haßverzerrtes Gesicht in den Flammen zu altern
beginnt, verwandelt sich zeitgleich Katja zurück, verjüngt sich, bis
sie zum Entzücken Andrejs wieder zu atmen beginnt. Die Hexe ist tot, die
Liebenden haben sich gefunden, doch die Familie ist zerstört - ob und welche
Spuren Asa in Katjas Persönlichkeit hinterlassen hat, werden wir nie erfahren
...
Für
seine Produzenten war LA MASCHERA ... eine Antwort auf die Erfolge der britischen
Konkurrenz und wurde diesem Anliegen auch gerecht. Der Film errang internationale
Erfolge, in Europa ebenso wie in den USA, wo er umsynchronisiert und mit einem
Soundtrack von Les Baxter versehen unter dem Titel BLACK SUNDAY Furore machte.
In Großbritannien scheiterte er allerdings an dortigen Zensorenlaunen: Aufgrund
der für damalige Verhältnisse allzu drastischen Schocksequenzen blieb
die ungeschnittene Fassung von LA MASCHERA ... bis zum Jahre 1968 von britischen
Kinoleinwänden verbannt - merkwürdig, denkt man an die zeitgleich entstandenen
farbenfrohen Blutbäder der Hammer-Studios.
Doch LA MASCHERA ... ist weitaus mehr als ein schnell gedrehtes B-Picture, das
seinen Produktionsetat um ein Vielfaches wieder einspielte. In seinem unnachahmlichen
visuellen Stil vermengte Bava Elemente des expressiostischen Stummfilms mit einer
schon fast barocken schwelgerischen Sinnlichkeit der Bildsprache und erschuf mit
diesem Film ein Schlüsselwerk, ein Stück Nouvelle Vague des Horrorkinos.
Sein Debüt war der Auslöser einer ganzen Serie von Gothic-Thrillern,
die den italienischen Horrorfilm der 60er Jahre prägen sollten. Atmosphärische
Stimmungsmalereien und subtile, geradewegs ins Unterbewußte zielende optische
Spielereien, zwischen denen sich das Schicksal der oft von unseligen Obsessionen
und dunklen Leidenschaften zerrissenen Protagonisten erfüllte, besaßen
für ihn immer Vorrang vor einer geradlinigen Erzählweise, wie sie z.
B. dem angloamerikanischen Kino eigen war. Zum Schwarzweißfilm kehrte er
nur noch ein einziges Mal, in dem 1962 entstandenen Thriller LA RAGAZZA CHE SAPPEVA
TROPPO (der heute als erster richtiger Giallo, jener spezifisch italienischen
Spielart des Thrillers, gilt) zurück. Das Medium Farbfilm bot seinem künstlerischen
Talent noch weitaus mehr Möglichkeiten, wie kommende Meisterwerke wie OPERAZIONE
PAURA, LA FRUSTA E IL CORPO und LISA E IL DIAVOLO zeigen sollten. Bis zu seinem
Tod im Mai 1980 drehte Bava noch 27 Filme (von denen 2 niemals fertiggestellt
wurden) und war auch noch in einigen Produktionen als Kameramann und Gestalter
optischer Effekte tätig. Sein filmisches Oeuvre umfaßte Historienspektakel,
Western, Science Fiction und Thriller und in all diesen Produktionen läßt
sich das "magische Auge" Bavas, seine unverwechselbare visuelle Magie
wiedererkennen. Der subtile Horror sollte allerdings bis zuletzt allerdings immer
sein sein liebstes Betätigungsfeld bleiben. Bedauerlicherweise blieb LA MASCHERA
... die einzige Zusammenarbeit von Mario Bava und Barbara Steele.
Für
Steele bedeutete die Rolle der Asa/Katja den Beginn einer überraschenden
und irgendwo auch anders gedachten) Karriere. Nach einem abgebrochenen Kunststudium,
diversen Theater- und ersten Filmerfahrungen in England und einem Fehlstart in
Hollywood zog es sie zurück nach Europa. Von 1960 bis 1966 wirkte sie in
allein 9 italienischen Low Budget-Produktionen mit - leider bekam sie nur in einem
Bruchteil dieser Filme die Gelegenheit, sich selbst zu synchronisieren, und auch
in den englischsprachigen Fassungen von LA MASCHERA ... ist nicht ihre Stimme
zu hören. Sie äußerte sich im Nachhinein oft kritisch über
ihre Horrorfilme, bemängelte, daß diese zu sehr die Filme von Regisseuren
als von Schauspielern seien, daß dramatische Momente Vorrang vor einer ausgeprägten
psychologischen Gestaltung der Charaktere hätten. Jedoch fand Steele, die
in ihrer optischen Erscheinung alles andere als das "frische" und "natürliche"
Frauenbild des filmischen Realismus verkörperte, sich gerade hier in einem
Umfeld wieder, das ihr - trotz des damit einhergehenden Typecastings als dominanter
dunkler Racheengel - die Möglichkeit gab, ihren eigenen Schauspielstil zu
entwickeln. Die Schwachpunkte und Dialogmängel, die sie in ihren Rollen sah,
das frustrierende Wissen darum, daß es oft genug eine fremde Stimme war,
die in den fertigen Filmen ihren Dialog sprach, kompensierte sie, indem sie einen
extrem mimischen, expressiv-divaesken Stil der Darstellung entwickelte. Es gelang
ihr - ganz in der Tradition der klassischen Vamps - jeder ihrer Gesten eine tiefere
Bedeutung zu verleihen, ihren Körper als perfekt arrangiertes Objekt in die
Bilder einzufügen und eine Szene allein durch ihre charismatische Präsenz
zu dominieren. Sie wurde für ihre Verehrergemeinde "La Steele",
eine nokturne Diva, tödlich verheißungsvolle Femme Fatale alptraumhafter
Zelluloidwelten, und ihr seltsam-schönes Gesicht - von Bavas Kamera in "LA
MASCHERA" oft genug in abstrahierenden Close-Ups abgelichtet, in denen ihre
Züge fast wie eine surreale Landschaft erschienen - bekam nahezu Symbolcharakter,
wurde zu einem Fetisch des Phantastischen Kinos. Sie stand u. a. unter der Regie
von Roger Corman (THE PIT AN THE PENDULUM, 1961), David Cronenberg THEY CAME FROM
WITHIN, 1975) und Jonathan Demme (CAGED HEAT, 1974) vor der Kamera, doch der eigentliche
Höhepunkt ihrer Laufbahn blieb für sie immer ihre Arbeit mit Federico
Fellini, der für sie "this great magician" war und in dessen Filmen
LA DOLCE VITA und 8 1/2 sie 1963 mitwirkte. Die enthusiastische Verehrung ihrer
Horrorfilme konnte sie jedoch nur eingeschränkt nachvollziehen: "It's
not me they're seeing. They're casting some projection of themselves, some aspect
that I somehow symbolise. It can't possibly be me."
Und wahrscheinlich sind es gerade diese Projektionen, die manche Filme unvergeßlich
machen.
© Thomas Wagner
LA MASCHERA DEL DEMONIO (weitere Titel: MASK OF SATAN, BLACK
SUNDAY, REVENGE OF THE VAMPIRE, DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT)
Italien 1960, schwarzweiß, 85 Minuten
Produktion: Jolly/Galatea
Regie: Mario Bava
Buch: Mario Bava, Ennio de Concini, Marcello Coscia, Mario Serandrei basierend
auf der Novelle "Der Wij" von Nikolai Gogol
Musik: Roberto Nicolosi (US-Version: Les Baxter)
Schnitt: Mario Serandrei
Darsteller: Barbara Steele (Asa/Katja), John Richardson (Andrej Gorobek), Andrea
Checchi (Choma Kruvajan), Arturo Dominici (Javutic), Ivo Garrani (Prinz Vajda),
Enrico Olivieri (Konstantin)
Lesenswertes zu LA MASCHERA DEL DEMONIO:
- "The Other Face of Death" (Carol Jenks in Necronomicon Book One ,
Creation Books, 1996)
- "Cult Memories"
(Barbara Steele in The Perfect Vision, # 23, 1994)
- "Barbara Steele - Diva of Dark Drama" (Mark A. Miller in Filmfax #51,
1996)
- "The Abdicted Queen of Italian Gothique" (Ian Caunce in Giallo Pages
#3, 1994)
- "Mario
Bava - The Illusion of Reality" (Alain Silver u. James Ursini in images
#5)
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