Tales Of Terror & Technicolor:
Roger Cormans Poe-Verfilmungen

Edgar Allan Poes Geschichten und Gedichte bildeten seit 1908 die Vorlage oder Inspiration für über 100 Film- und Fernsehproduktionen. Darunter befinden sich halbwegs werkgetreue Verfilmungen ebenso wie freie Interpretationen und Werke, die den Zuschauer rätseln lassen, inwiefern sie überhaupt noch irgendwo von Poe beeinflußt sein mögen. Völlig unabhängig von der Werktreue reicht die Qualitätsskala dabei vom künstlerischen Meisterwerk über unterhaltsamen Trash bis hin zum filmischen Desaster. Wohl am berühmtesten und inzwischen längst als zeitlose Genre-Klassiker anerkannt sind die von 1960 bis 1965 entstandenen, farbenprächtigen Poe-Adaptionen des amerikanischen Regisseurs Roger Corman, die hier etwas näher beleuchtet werden sollen.

Roger Corman & Vincent Price 1961Roger William Corman wurde am 5. April 1926 in Detroit geboren. Nach einem Ingenieursstudium sammelte er - anfangs als Laufbursche, später als Lektor - bei der 20th Century Fox erste Erfahrungen im Filmgeschäft. Schließlich zog es ihn nach Europa: In Oxord studierte er englische Literatur, im Anschluß siedelte er nach Paris über und hielt sich dort mit dem Schreiben von Kurzgeschichten über Wasser, die er an amerikanische Magazine verkaufte. Nach seiner Rückkehr in die USA stieg er als Drehbuchautor und unabhängiger Produzent wieder ins Filmgeschäft ein und schloß sich schließlich den Produzenten Samuel Arkoff und James Nicholson an, die 1954 American International Pictures (AIP) gründeten, jene Produktionsfirma, für die er fortan zwei Jahrzehnte lang tätig sein sollte. AIP spezialisierten sich auf billige B-Pictures, Filme, die mit minimalstem Aufwand in wenigen Tagen gedreht wurden und das typische Programm der amerikanischen Drive In-Kinos darstellten. Sein Regiedebüt machte Corman 1955 mit dem Western Five Guns West, seinen ersten phantastischen Film legte er 1956 mit It Conquered The World vor, einer Science Fiction-Story, die die Invasionsängste des Kalten Krieges originell umsetzte und mit einem bizarren, karottenartigen Alien-Monster aufwartete. Im gleichen Jahr drehte er auch The Day The World Ended, eine (trotz der Präsenz eines trashigen Monsters) beklemmende Endzeitvision, die das US-Publikum mit einem postatomaren Szenario konfrontierte. Es folgten zahlreiche weitere Filme: Science Fiction, Fantasy, Gangsterfilme, aber auch der damals angesagte Teenager-Trash (so z. B. 1958 Teenage Caveman) und natürlich Horror (z. B. 1959 der in der Beatnik-Szene angesiedelte A Bucket Of Blood und 1960 der später zum Kultfilm avancierte Little Shop Of Horrors). Cormans Filme spielten die geringen Produktionskosten meist um ein Vielfaches wieder ein und vergleicht man sie heute mit anderen Billigproduktionen dieser Ära, so heben sie sich in puncto Originalität und Qualität oft deutlich von der Masse ab. Doch der Regisseur hatte andere Ambitionen, wollte sich und seine Filme weiterentwickeln und der Schlüssel dazu fand sich in einer Geschichte Edgar Allan Poes.
"Ich hatte ursprünglich einfach nur den Wunsch, The Fall Of The House Of Usher zu verfilmen",
erzählte Corman 1980 in einem Interview. "Seit meiner Schulzeit war ich großer Verehrer Poes und schon immer wollte ich gerade diesen Film machen. Ich hatte für AIP eine Serie von Low Budget-Produktionen gedreht, alles Schwarzweißfilme, die in einem Zeitrahmen von 10 Tagen und mit einem Budget von 100.000 $ oder weniger hergestellt wurden. Es war die damalige Geschäftspolitik, zwei von diesen Filmen zusammen als eine Doppelvorstellung herauszubringen … Sie wollten, daß ich damit weitermache, doch ich hatte das Gefühl, daß wir uns allmählich zu oft wiederholten. Also schlug ich statt dessen vor, anstatt zwei Schwarzweißfilme für je 100.000 $ in 10 Tagen, einen Farbfilm für 200.000 $ in 15 Tagen zu machen. Sie waren einverstanden und so wurde House Of Usher gedreht." Doch ganz so einfach war es nicht, die AIP für das Vorhaben zu gewinnen. Besonders Samuel Arkoff stand dem Projekt skeptisch gegenüber, zumal sich in Poes Story kein Monster findet und monsterlose Horrorfilme in den USA als extremes finanzielles Risiko galten. "Das Haus ist das Monster", argumentierte Corman, verwies auf Roderick Ushers Textzeile "the house lives, the house breathes" und schließlich gelang es ihm (nicht zuletzt, weil er bislang keinen einzigen Flop fabriziert hatte) doch, die Produzenten zu überzeugen.
Für das Drehbuch wurde der Schriftsteller Richard Matheson engagiert. Von Matheson, der oft als Drehbuchautor arbeitete, stammen u. a. die Romanvorlagen und Skripts zu den Filmen The Incredible Shrinking Man, Last Man On Earth (basierend auf dem Roman I am Legend) und The Legend Of Hell House. Großen Erfolg hatte der Autor auch mit den Szenarien, die er für Rod Serlings legendärer TV-Serie The Twilight Zone entwarf.
Die erste Wahl für die (Haupt-)Rolle des Roderick Usher war Vincent Price (1911-1992). Price, dessen Schauspielerkarriere 1935 auf der Theaterbühne begann, kam 1938 durch einen Kontrakt mit den Universalstudios ins Filmgeschäft und hatte sich seitdem sowohl im Mainstream- wie auch im Genrekino einen Namen als talentierter und vielseitiger Schauspieler gemacht, wobei die "Schurkenrollen" immer zu seinen Lieblingsparts gehörten. Seine Filmographie umfaßte bislang u. a. Klassiker wie The Invisible Man Returns (1938), Laura (1944), Dragonwyck (1946), House Of Wax (1953) und The Mad Magician (1954). In der Regie des genialen B-Picture-Schöpfers William Castle spielte er die Haptrollen in den Trashperlen House On Haunted Hill (1958) und The Tingler (1959). Der Poe-Liebhaber Price war von Richard Mathesons Drehbuch sehr angetan und hatte auch vollstes Zutrauen in Cormans Fähigkeiten als Regisseur. So akzeptierte er das Angebot sofort - noch lange nicht ahnend, daß er in fast allen von Cormans Poe-Adaptionen die Hauptrolle spielen sollte und noch Jahre später viele Filmfans seinen Namen automatisch mit diesen Filmen in Verbindung bringen würden. Am 13. Januar 1960 begannen schließlich die Dreharbeiten zu The Fall Of The House Of Usher - dem Auftakt zu einem Zyklus von insgesamt acht Filmen …

1960:
The Fall Of The House Of Usher (Die Verfluchten)

Die Anfangsszene präsentiert einen einsamen Reiter in einem nebelverhangenen Ödland, in dem die Vegetation nur aus vereinzelten, abgestorbenen Bäumen und Sträuchern besteht. Es handelt sich um den jungen Philip Winthrop, der auf dem Weg zum Stammsitz der Ushers ist, um dort um die Hand Madelines anzuhalten, die er Monate zuvor in Boston kennenlernte. Doch das an einem fauligen Sumpf gelegene Haus Usher erweist sich als ebenso abweisend und marode wie das tote Umland. Madeline ist schwach und krank, und ihr Bruder Roderick - ein seltsamer, übersensitiver Zeitgenosse - versucht Winthrop sofort wieder zur Abreise zu bewegen. Er schildert die Ushers als eine von Dekadenz und Wahnsinn gezeichnete Familie; mitsamt dem Haus sei all das Böse, das die Ushers seit Generationen prägt, von England in die Neue Welt herübergebracht worden. Wenn seine Schwester Madeline nun heiraten und Kinder bekommen würde, würde sich dieses Übel weiter fortpflanzen, anstatt endlich auszusterben. Um Winthrop endlich loszuwerden, greift Usher zu einer List und nutzt Madelines angeborenen Hang zur Katalepsie aus: Als sie nach einem Anfall scheinbar tot aufgefunden wird, läßt er sie in der Familiengruft bestatten. Doch in der Nacht kann Madeline sich befreien und nimmt, inzwischen wahnsinnig geworden, Rache an ihrem Bruder …

Natürlich ist The Fall Of The House Of Usher keine akribisch nacherzählende Literaturverfilmung, natürlich wird die Handlung als Zugeständnis an den Publikumsgeschmack mit einer unglücklichen Liebesgeschichte (zwischen Winthrop und Madeline) versehen; dennoch gelang es Corman und Drehbuchautor Matheson, die Essenz von Poe in diesem Film einzufangen: So findet sich die Degeneration der Ushers hier ebenso wie in der Geschichte in dem verfallenden Haus und dem toten Umland symbolisiert. Das Übel, die sprichwörtliche Krankheit, wird auf das marode Gemäuer projiziert, hat seine Wurzeln jedoch (ein immer wiederkehrendes Thema bei Poe) in den verborgenen Seiten der Psyche der Protagonisten, in diesem Fall Roderick Ushers, der von Vincent Price überzeugend verkörpert wurde. Price, der durchaus auch zum gewollten Overacting neigte und ein großes komödiantisches Talent besaß, spielt den Antihelden Usher mit einer effektiven Zurückhaltung und frei von Ironie. Seine Bewegungen sind langsam, die ganze Gestalt wirkt Haltung und Gebahren fragil und verletzlich, und das schlohweiß gefärbte Haar, das eine Form von Albinismus suggerieren sollte (übrigens eine Idee von Vincent Price), verstärkt diesen Eindruck noch. In bester Poe-Tradition leidet Price-Usher in erster Linie an sich selbst: Er ist ein Gesamtkunstwerk aus Neurosen und psychosomatischen Beschwerden, und in all seiner Verzweiflung und der hingebungsvollen, über das geschwisterliche Verhältnis offensichtlich hinausgehenden, Liebe zu Madeline eine überaus tragische Figur. An krankhaften Überempfindlichkeiten gegen Geräusche, Farben und Gerüche leidend, hat er sich seit langem endgültig aus der realen Welt zurückgezogen und ist selbst nicht fähig, gegen die ihn quälenden Obsessionen - die Gewißheit um die Vorbestimmtheit des Familienschicksals und die daraus resultierenden Ängste - anzukämpfen.
Roger Corman hatte bei The Fall Of The House Of Usher erstmals die Möglichkeit, in Farbe und Cinemascope zu drehen, und nutzte diese Mittel für eine expressionistisch-psychedelische Bildsprache. Farben dienen hier nicht der naturalistischen Darstellung, sondern fungieren als symbolistische Stilmittel; eine gewollte Künstlichkeit durchzieht den ganzen Film und erschafft eine, der literarischen Vorlage angemessene, irreal-alptraumhafte Atmosphäre: Dem Vorspann - leuchtend bunten Nebelschwaden, die hinter den Credits ineinanderfließen - folgt die Anfangssequenz in dem toten Wald; hier dominiert ein blasses Grau, alles wirkt verödet, abgestorben. Corman nutzte für diese Szene die Gelegenheit, daß tags zuvor ein Brand in den Hollywood Hills gewütet hatte, und kombinierte hier Studioaufnahmen mit Bildern des realen verbrannten Waldstücks. Das Geschehen im Haus Usher schließlich gestaltet sich als verschwenderisch koloriertes, morbides Kammerspiel. Als Roderick von seinen Vorfahren erzählt, präsentiert er seinem Gast deren Portraits, die karikaturhafte Fratzen in kränkelnden Farben zeigen, und dem Betrachter ist in diesem Moment klar, daß die Ushers sich nicht unbedingt durch höchste geistige Gesundheit auszeichnen (diese Gemälde wurden von dem Künstler Burton Shonberg speziell für diesen Film angefertigt). Später folgt eine grandiose Alptraumsequenz, in der Winthrop der gesamten Ushersippe begegnet: Durch einen grellblauen Nebel steigt er in die Gruft hinab und findet sich dort den fleischgewordenen Portraits gegenüber wieder. Die meisten der Stilmittel, die Corman hier kreierte, sollten sich auch in seinen folgenden Poe-Verfilmungen wiederfinden.
The Fall Of The House Of Usher wurde am 22. Juni 1960 uraufgeführt und Cormans Ideen machten sich bezahlt; der Film spielte sein Budget um ein Vielfaches wieder ein und bekam dazu auch noch exzellente Kritiken. Bei diesem Erfolg war es naheliegend, daß der nächste Poe-Film nicht lange auf sich warten lassen würde …

1961:
The Pit And The Pendulum (Grube und Pendel)


Spanien in der Mitte des 16. Jahrhunderts: Der Engländer Francis Barnard besucht seinen Schwager Don Nicholas Medina, um die genauen Umstände des Todes seiner Schwester Elizabeth zu erfahren. Medina wirkt seltsam verängstigt und schuldbewußt. Er sucht nach Ausflüchten für Elizabeth Tod und schließlich stellt sich heraus, daß sie eines Tages tot in der Folterkammer des Schlosses aufgefunden wurde - offensichtlich starb sie vor Angst. Es stellt sich heraus, daß Medina an einem Kindheitstrauma leidet, denn als kleiner Junge wurde er Zeuge des Todes seiner Mutter: Sein Vater - der berüchtigte Inquisitor Sebastian Medina - rächte sich in der Folterkammer grausam für ihre Untreue, indem er erst ihren Liebhaber erschlug und die Unglückliche anschließend lebendig einmauerte. Im weiteren Verlauf kommt es zu seltsamen Vorfällen im Schloß: Elizabeths Zimmer wird verwüstet, ihr Portrait wird zerstört, nachts erklingt ihr Cembalo … Schließlich wird ihr Grab geöffnet und anhand der gequälten Stellung der verwesten Leiche wird klar, daß sie lebendig begraben wurde. In der Nacht hört Medina, inzwischen halb verrückt vor Angst, ihre Stimme, die ihn in die Gruft hinab lockt. Als er sich schließlich seiner totgeglaubten Frau gegenüber sieht, gewinnt der Wahnsinn endgültig die Oberhand über ihn. Er schlüpft in die Rolle seines Vaters und die Folterinstrumente des toten Inquisitors kommen zum Einsatz …

Die Handlung in The Pit And The Pendulum hat herzlich wenig mit der literarischen Vorlage gemein, dennoch gelang es Corman und seiner Crew, in diesen Film eine Vielzahl für Poe typischer Elemente einfließen zu lassen: Wieder einmal ist der Antiheld von seinen eigenen Ängsten und Erinnerungen gepeinigt, wieder einmal steckt das offenkundig erbliche Familienübel im Gemäuer (in diesem Fall in Sebastian Medinas Folterkammer), dazu gesellen sich die Angst vor dem Lebendigbegrabensein und poesche Rachethematik: Nicholas Medina ist Opfer eines Komplotts zwischen seiner Frau und seinem besten Freund, und als der gehörnte Ehemann durch deren Spukinszenierungen schließlich in den Irrsinn getrieben wird, flüchtet er sich in die Person seines blutrünstigen Vaters und nimmt in dessen Alter Ego grausame Rache. Vincent Price spielt diese (Doppel-)Rolle mit offensichtlichem Vergnügen; in seinen Panik- und Verzweiflungsausbrüchen sprudelt er geradezu über und schießt oftmals über die Grenzen einer ernsthaften Darstellung hinaus. Seine untreue Gattin wurde übrigens von der britischen Schauspielerin Barbara Steele verkörpert, die ein Jahr zuvor durch die Hauptrolle in Mario Bavas Klassiker La Maschera del Demonio in Europa zu Popularität gelangt war und im Verlauf der 60er Jahre zu einer Ikone des italienischen Horrorfilms werden sollte.
In seinem zweiten Poe-Film setzte Roger Corman die bewährten Usher-Stilmittel konsequent fort. Einem psychedelisch bunten Vorspann folgt in der Eingangssequenz der Blick auf das Schloß Medinas, das sich düster und bedrohlich auf einer desolaten Klippe über dem Meer erhebt - die optimale Bühne für das hier erzählte Schauermelodram. An die Stelle von Alptraumsequenzen treten hier gespenstisch blau-violett getönte Rückblenden, die vom (scheinbaren) Tod Elizabeths und den Untaten Sebastian Medinas erzählen. Das poesche Folterszenario wurde der Vorlage entsprechend, mit viel Liebe zum Detail, perfekt nachgebaut und das schwingende, infernalisch quietschende Pendel, dessen Wirkung sich vor allem auf der Kinoleinwand und im Cinemascopeformat voll entfaltet, bietet auch unter heutigen Gesichtspunkten noch einen äußerst beeindruckenden Anblick. Die Pendelgeräusche entstanden übrigens aus insgesamt 16 verschiedenen Geräuschquellen: Windmühlen, Wasserräder, Zugbrücken, Raddampfer, Eisenbahnschienen etc. wurden in mühsamer Kleinarbeit verfremdet, mit Effekten versehen und letztendlich zu einem Klang zusammengeschnitten. The Pit And The Pendulum wirkt (nicht zuletzt aufgrund Prices exaltierter Darstellung) weniger düster als sein Vorgänger und erscheint stellenweise fast wie eine Mixtur aus Grand Guignol-Theater und surrealem Comicstrip, was der Qualität und vor allem dem Unterhaltungswert des Films jedoch keinesfalls abträglich ist.

1962:
The Premature Burial (Lebendig begraben)


Der wohlhabende Guy Carrell hat panische Angst vor der angeblich erblichen Katalepsie in seiner Familie und fürchtet, lebendig begraben zu werden. Auch die Ehe mit Emily bringt ihm keine Besserung. Um den Schrecken des Scheintods vorzubeugen läßt er sich eine Gruft mit diversen Sicherheitsmechanismen bauen, mit deren Hilfe er sich - im Falle eines verfrühten Begräbnisses - aus dem Grab befreien kann. Immer mehr steigert er sich in seine Phobie und das Verhältnis zu seiner Frau verschlechtert sich zusehends. Schließlich droht Emily ihm, ihn zu verlassen, wenn er die Gruft nicht zerstört und zu einem normalen Leben zurückkehrt. Carrell fügt sich ihrem Wunsch, doch kurz darauf wird sein Alptraum Wirklichkeit: Durch einen Schock erleidet er einen kataleptischen Anfall, wird von den Ärzten für tot erklärt und lebendig begraben …

The Premature Burial nimmt in Cormans Poe-Zyklus eine Sonderstellung ein: Als einziger Film dieser Reihe wurde er ohne Vincent Price gedreht, da dieser aus vertragsrechtlichen Gründen an einer Mitwirkung verhindert war. Stattdessen wurde die Hauptrolle mit Ray Milland besetzt, der u. a. auch schon in der Regie Alfred Hitchcocks (in Dial M For Murder) vor der Kamera gestanden hatte. Milland wirkt auf den ersten Blick weniger charismatisch als Price. Sein Spiel ist ruhiger, introvertierter, doch gerade dadurch verleiht er der Figur des neurotischen Guy Carrell eine psychologische Tiefe und Glaubwürdigkeit, die sehr zum Gelingen des Films beiträgt. Poes Erzählung läßt sich hier eigentlich nur noch als Inspiration erahnen; nicht verwunderlich, denn diese Geschichte würde kaum einen 80minütigen Spielfilm ausfüllen können. Für das Drehbuch zeichnete der Horrorautor Charles Beaumont verantwortlich, der übrigens - ebenso wie Richard Matheson - einer der erfolgreichsten Twilight Zone-Autoren war. Beaumont variierte in seinem Skipt u. a. Elemente des im Vorjahr entstandenen The Pit And The Pendulum: Die scheinbar treusorgende Ehefrau Emily (dargestellt von der Britin Hazel Court, die u. a. in den Hammerproduktionen The Curse Of Frankenstein und The Man Who Could Cheat Death mitgewirkt hatte) ist in Wirklichkeit der Launen ihres dauerdeprimierten Gatten überdrüssig und findet weitaus mehr Gefallen an dessen bestem Freund. So beschließt sie, Carrells Phobie zu nutzen, um ihn loszuwerden und an sein Vermögen zu kommen. Natürlich geht dieser Plan schief und diverse Mitwirkende fallen Guy Carrells Rache-Amoklauf zum Opfer, nachdem der scheinbar Tote von Leichenräubern wieder ausgegraben wird.
Im Vergleich zu seinem Vorgänger wirkt der von einer alles durchdringenden klaustrophobischen Stimmung durchzogene The Premature Burial weitaus finsterer, beklemmender und entbehrt der üblichen Komikelemente. Millands Darstellung des (natürlich wieder einmal an sich selbst) leidenden Protagonisten ist durchweg überzeugend und Roger Corman gelang mit diesem Film ein weiteres schön inszeniertes, zeitloses Stück Alptraumkino.

1962:
Tales Of Terror (Der grauenvolle Mr. X / Schwarze Geschichten)


Der Film teilt sich in die folgenden drei Episoden auf:

Morella
Die junge Lenora kehrt nach Jahren todkrank ins Haus ihres Vaters zurück, der sie einst verstieß, weil seine geliebte Frau Morella bei ihrer Geburt starb. Als seine Tochter ihm von ihrem Zustand erzählt, versöhnt er sich mit ihr, doch schon wenig später stirbt sie. Morellas Geist fährt in Lenoras Leiche und sucht ihren Gatten heim …

The Black Cat
Der Säufer Montresor Herringbone gerät, nachdem er aus seiner Stammkneipe geworfen wurde, durch Zufall in eine noble Runde von Weinhändlern. Dort fordert er den berühmten Weinkenner Fortunato zu einem Wettstreit heraus, doch schließlich wird der bereits stark angeschlagene Montresor von seinem eigenen Rausch besiegt. Fortunato hilft dem Betrunkenen heim und lernt dort dessen junge Frau Annabel kennen. Die sanftmütige Annabel, die - ebenso wie ihr geliebter schwarzer Kater - unter den Ausbrüchen ihres Gatten zu leiden hat, verliebt sich in den weltgewandten Fortunato und prompt nimmt das Schicksal seinen Lauf. Als Montresor schließlich dahinter kommt, daß seine Frau ihn mit Fortunato betrügt, ermordet er beide und mauert die Leichen in seinem Keller ein - dummerweise zusammen mit Annabels schwarzem Kater …

The Case Of M. Valdemar
Mr. Valdemar ist todkrank und unterzieht sich zwecks Schmerzlinderung regelmäßig der Behandlung des Hypnotiseurs Carmichael. Auch im Augenblick seines baldigen Ablebens soll Carmichael ihn hypnotisieren und ihm so einen sanften Tod ermöglichen - sehr zum Verdruß von seiner Frau Helen und dem Hausarzt Dr. James, die dem Hypnotiseur zu Recht mißtrauen. Als es schließlich soweit ist, versetzt dieser Valdemar in Trance. Der Patient ist schließlich klinisch tot, aber dennoch hält die Hypnose an und Valdemar vegetiert fortan in einer obskuren Grauzone zwischen Dies- und Jenseits vor sich hin. Carmichael will Helen zwingen, ihn zu heiraten, doch schließlich kann Valdemar sich aus der Trance befreien und nimmt als im Zeitraffer verfaulende Leiche Rache an Carmichael …

Die Idee, einen Horrorfilm mit Episodenaufbau zu drehen, war an für sich nichts Neues, so hatte z. B. in Deutschland Richard Oswald bereits 1919 in Unheimliche Geschichten drei phantastische Erzählungen (u. a. auch Poes The Black Cat) verfilmt. Zu seiner vollen Blüte gelangte der Horror-Episodenfilm allerdings erst ab Mitte der 60er Jahre in England mit den legendären Amicus-Produktionen Dr. Terror's House Of Horrors und Torture Garden. Das damalige US-Publikum fühlte sich durch dieses Kurzgeschichten-Trio wohl eher an seine vertrauten Fernsehserien erinnert und Tales Of Terror erzielte - trotz guter Kritiken - etwas weniger gute Kassenerfolge als seine Vorgänger.
Die einleitende Episode Morella wirkt wie die Miniaturausgabe eines typischen Cormanfilms und läßt alle Elemente Revue passieren: Vincent Price als zerrütteter Hausherr, der seiner großen Liebe nachtrauert und letztendlich von ihr heimgesucht wird, ein in Spinnweben und Staub gehülltes altes Herrenhaus inklusive Gruft und im Finale das obligatorische furiose Feuer, das Protagonisten samt Gemäuer verzehrt. In völlig andere Gefilde führt jedoch The Black Cat: Drehbuchautor Richard Matheson wandelte Poes Erzählung für diese Episode in eine rabenschwarze Komödie um und benannte die Hauptfiguren kurzerhand nach den Protagonisten in The Cask Of Amontillado Fortunato und Montresor. Was in der Theorie absurd klingt, funktionierte in der filmischen Umsetzung vortrefflich. Vincent Price hatte hier als blasierter Weinexperte Fortunato (übrigens wurde er für diese Rolle von einem Mitarbeiter des britischen Weinhauses Harvey & Sons in der Kunst des richtigen Weinkostens unterrichtet) Gelegenheit, sein großes komödiantisches Talent ungebremst einzubringen. Ihm zur Seite steht ebenbürtig der großartige Peter Lorre in der Rolle Montresors. Lorre, der 1930 in Fritz Langs M - Eine Stadt sucht einen Mörder in der Rolle eines psychopathischen Kindermörders zu Weltruhm gelangt war, verließ Deutschland nach der Nazi-Machtergreifung und begann in den USA eine zweite Karriere, die 1935 mit der Hauptrolle in Mad Love begann, Karl Freunds genialem Remake des Robert Wiene-Klassikers Orlacs Hände. Daß Lorre nicht nur ein brillanter Charakterdarsteller war, sondern auch über ein beachtliches komödiantisches Talent verfügte, führt The Black Cat deutlich vor Augen. Dank der beiden Hauptdarsteller, die sich hervorragend ergänzen, gelang hier ein kleines Meisterwerk grotesk-makabren Humors, das wahrscheinlich auch Poe gefallen hätte. Der Ausklang des Films, The Case Of M. Valdemar, führt wieder zurück in reine Horrorgefilde: Die Geschichte des verbrecherischen Hypnotiseurs Carmichael, der den sterbenden Valdemar in einem grauenvollen Schwebezustand zwischen Leben und Tod hält, ist - trotz der offenbar unumgänglichen Abänderungen - eine sehr effektive Adaption der literarischen Vorlage und kann einige wirklich unheimliche Momente aufweisen, so z. B. wenn der mit seinem Geist im Jenseits befindliche Valdemar sich das erste Mal zu Wort meldet. Ursprünglich drehte Corman auch noch eine ca. 5minütige Szene, die Valdemar im Hades zeigt, ließ diese jedoch im Nachhinein entfernen, weil er mit ihrer Wirkung unzufrieden war. Auch die Besetzung läßt keinen Wunsch offen: Agierte Price sich noch in der vorangegangenen Episode angemessen extrovertiert, so setzt er hier auf leisere Töne und ein effektives Understatement. Sein Gegenspieler Carmichael wurde von Basil Rathbone verkörpert (der u. a. in den klassischen Sherlock Holmes-Verfilmungen der Universal Studios berühmt geworden war), der für diese Rolle extra von einem Experten des American Hypnosis Institute vorbereitet wurde. Im Finale kann Valdemar sich vom Willen Carmichaels befreien und erhebt sich als verfaulender Leichnam, eine heute harmlos anmutende Szene, die damals allerdings wohl einige Gänsehäute verursacht haben dürfte.

1963:
The Raven (Der Rabe - Duell der Zauberer)

Der Magier Erasmus Craven hat sich in den Ruhestand zurückgezogen und trauert um seine scheinbar tote Frau Lenore. Eines nachts flattert ein Rabe in sein Haus, der zu sprechen beginnt und sich als Dr. Adolphus Bedlo, ebenfalls Magier, vorstellt. Das obskure Federtier erzählt Craven, daß der finstere Zauberer Scarabus ihn in einen Raben verwandelt hat und berichtet von Lenore, die in Wirklichkeit noch lebt und auf dessen Schloß gefangengehalten wird. Craven verwandelt Bedlo in seine menschliche Form zurück und macht sich gemeinsam mit seiner Tochter Olive, Bedlo und dessen Sohn Rexford zu Scarabus auf. Doch alles ist nur ein teuflischer Plan des Zauberers, um Craven in seine Gewalt zu bekommen und noch mehr Macht zu erlangen …

Einerseits hatte Corman noch The Black Cat in allerbester Erinnerung, andererseits wuchs in ihm die Befürchtung, daß der AIP-Poe-Zyklus allmählich Gefahr lief, nur noch auf die bewährten Elemente zu setzen und sich letztendlich permanent selbst zu zitieren. Um dem vorzubeugen, wurde The Raven von vornherein als eine schwarze Komödie in Spielfilmlänge inszeniert. Einige Elemente aus Poes gleichnamigem Gedicht bilden die Grundlage für eine Nummernrevue grotesker Situationskomik, die mit den Corman-typischen Stilmitteln sehr ansehnlich inszeniert wurde und auch noch einige hübsche Spezialeffekte in dem finalen Zaubererduell aufweisen kann. Dennoch fällt der Film im Vergleich zu The Black Cat ein wenig ab: Die hier erzählte Story ist eine weitaus harmlosere und so wirken auch die humoristischen Einlagen klamaukhafter und weniger bösartig. Daß diese Komödie dennoch gut funktioniert, ist in erster Linie der hervorragenden Besetzung zu verdanken: Neben Vincent Price in der Rolle Erasmus Cravens ist erneut Peter Lorre - als opportunistischer Scharlatan Dr. Bedlo - mit von der Partie, der mit seinem Improvisationstalent wohl einige der besten Zeilen zum Film beisteuerte. Der damals bereits 76jährige Boris Karloff (der während der Dreharbeiten permamanent daran verzweifelte, daß Lorre sich nie an die im Drehbuch vorgegebenen Dialoge hielt) übernahm den Part des sinistren Scarabus, Hazel Court den der untreuen Lenore und der junge Jack Nicholson ist hier als leicht vertrottelter Sohn Bedlos in einer seiner ersten größeren Rollen zu sehen.
"Edgar Allan Poe might turn over in his grave at this nonsensical adaption of his immortal poem",
schrieb ein Kritiker der Variety nach der Uraufführung. Beim Publikum kam dieser Nonsens jedoch sehr gut an und das rettete gewiß die nächste Produktion, denn mit einem Budget von 350.000 $ war The Raven der bislang teuerste Film in der Poe-Reihe der AIP.
Aufgrund der hohen Kosten entschied Corman sich übrigens, einen weiteren Horrorfilm in den gleichen Kulissen zu filmen und in der Endphase der Dreharbeiten zu The Raven begann er mit der Arbeit an The Terror (Schloß des Schreckens). Boris Karloff wurde auch für dieses Projekt engagiert - allerdings nur für zwei Tage, an denen Corman alle Szenen mit ihm sowie die meisten der Studioaufnahmen filmte. Der Rest des Films wurde Stück für Stück von insgesamt vier verschiedenen Regisseuren (Monte Hellman, Jack Hill, Jack Nicholson und der damals noch unbekannte Francis Ford Coppola) fertiggestellt. Das daraus entstandene trashige Flickwerk hat nichts mit dem Poe-Zyklus zu tun und ist auch nicht unbedingt ein Highlight in Cormans Laufbahn.

1963:
The Haunted Palace (Die Folterkammer des Hexenjägers)

Im 17. Jahrhundert stürmen aufgebrachte Bürger des Städtchens Arkham das Schloß des Hexers Joseph Curwen. Sie verbrennen ihn auf dem Scheiterhaufen, was diesen veranlaßt, sie und all ihre Nachkommen zu verfluchen. 110 Jahre nach diesem Vorfall kommt Curwens Nachfahr Charles Dexter Ward samt Gattin Ann nach Arkham, um den alten Familiensitz zu beziehen. Die Arkhamer, die seit Curwens Fluch vom Pech verfolgt sind und zahlreiche mißgebildete Kinder aufweisen, begegnen dem Neuankömmling mit Mißtrauen und Ablehnung, doch er beschließt dennoch zu bleiben. Es dauert nicht lang und Ward wird von Curwens Geist besessen, der ihn mißbraucht, um Rache zu nehmen …

Streng betrachtet gehört The Haunted Palace eigentlich nicht hierher, denn bis auf den Titel und einige im Vorspann eingeblendete Zeilen aus dem gleichnamigem Gedicht hat dieser Film nichts mit Poe zu tun, sondern adaptiert H. P. Lovecrafts Story The Case Of Charles Dexter Ward. Roger Corman war mittlerweile überzeugt davon, daß dem Poe-Zyklus eine Pause gut tun würde, doch die Produzenten bestanden auf einer Fortsetzung, und so einigte man sich als Kompromiß auf Lovecraft. "Poe ist für mich interessanter und ein weitaus komplexerer Autor, aber auch Lovecraft ist auf diesem Gebiet sehr gut und so entschieden wir uns für eine Lovecraft-Verfilmung", so Corman. Doch die AIP wollte den kommerziellen Erfolg der Poe-Filme mit allen Mitteln weiter ausreizen. "Das Drehbuch war schon geschrieben und es war Lovecraft. Dem Film einen Poe-Titel zu verpassen, war einfach irreführend und ich fühlte mich nicht gerade wohl dabei." Sieht man von diesem offensichtlichen Etikettenschwindel ab, ist The Haunted Palace ein überaus gelungener Film und sicherlich eine von Roger Cormans besten Arbeiten. Das nebelumflutete Arkham und Curwens Schloß sind sehr atmosphärisch in Szene gesetzt und Vincent Price beeindruckt mit seiner überzeugenden Darstellung des, zwischen seinem eigenen Ego und der finsteren Persönlichkeit des Hexers Curwen hin- und hergerissenen, Charles Dexter Ward. Ihm zur Seite stehen u. a. Debra Paget (die auch schon in Tales Of Terror mitgewirkt hatte) als Ann Ward und der - zu dieser Zeit schon schwer von Krankheit und Alkohol gezeichnete - Lon Chaney jr.

1964:
Masque Of The Red Death (Satanas, das Schloß der blutigen Bestie)

Die Anfangsszene führt in einen nächtlichen, toten Wald. Eine alte Frau begegnet beim Holzsammeln einem seltsamen, rot vermummten Fremden, der ihr eine Rose schenkt. Diese Rose soll sie in ihr Dorf bringen, denn sie wird den Menschen die Befreiung aus der Knechtschaft bringen. Tatsächlich bringt diese Blume die Pest … Wir befinden uns im mittelalterlichen Italien: Prinz Prospero, ein Teufelsanbeter und gnadenloser Nihilist, herrscht unbarmherzig über sein Volk und beutet die arme Bevölkerung bis über die Grenzen des Erträglichen aus. Als er in ein Dorf einreitet um Abgaben zu kassieren, nimmt er gegen ihren Willen die junge Francesca mitsamt ihrem Verlobten und Vater mit sich. Prosperos Geliebte Juliana, die in einem Ritual ebenfalls ihre Seele dem Satan verschreibt, ist von Francescas Anwesenheit alles andere als angetan und will den Gefangenen schließlich zur Flucht verhelfen, um den Prinzen weiterhin für sich allein zu haben. Als die Pest das ganze Umland heimsucht, riegelt Prospero sein Schloß ab und veranstaltet mit seinen Gästen einen grotesken Maskenball. Doch schließlich taucht ein Fremder in Rot auf …

Da Cormans Poe-Filme auch in England sehr erfolgreich liefen und mittlerweile sogar zu einer Konkurrenz für die dort ansässigen Hammer Productions geworden waren, beschloß die AIP in Zusammenarbeit mit der britischen Produktionsfirma Anglo-Amalgamated (aus deren Werkstatt bereits Filme wie Circus Of Horrors und Peeping Tom hervorgegangen waren), den nächsten Film der Reihe dort zu produzieren. Im November 1963 begannen in Elstree/England die Dreharbeiten zu Masque Of The Red Death: Charles Beaumont und Wright Campbell verfaßten ein Drehbuch, das einerseits Poes gleichnamige Erzählung auf eine sehr gelungene Art variiert, zugleich aber auch Elemente aus The System Of Dr. Tarr And Professor Fether einfließen läßt (so ergötzt Prospero sich daran, seine Gäste in die Rolle von Tieren schlüpfen zu lassen, die ihren Charaktereigenschaften am ehesten entsprechen) und - sozusagen als Geschichte in der Geschichte - auch noch Hop Frog nacherzählt (Prosperos zwergwüchsiger Narr nimmt an dem Edelmann Alfredo grausame Rache für die Mißhandlung der Tänzerin Esmeralda).
Masque Of The Red Death
hob sich in vielen Dingen von seinen Vorgängern ab. Das Budget war höher, die Drehzeit länger (runde 5 Wochen anstatt der in den USA üblichen 15 Tage, da die britische Crew ein anderes Zeitschema gewöhnt war) und die Kulissen weitaus aufwendiger (so stammten einige der Bauten aus Peter Glenvilles kurz zuvor fertiggestelltem Historiendrama Becket). Aber auch die die Story und die Protagonisten waren weitaus komplexer angelegt. So ist Prinz Prospero ein vielschichtiger und überaus faszinierender Charakter: Zwar tritt er seinen Untertanen gegenüber als gnadenloser Tyrann auf, ist aber keinesfalls eine eindimensionale Schurkenfigur. Vincent Price verkörpert den Prinzen als eine charismatische Mixtur aus nihilistischem Philosophen und zynischem Freigeist, der die ihn umgebenden Höflinge ebenso verachtet, wie die christlichen Bauern, die auf seinem Land dahinvegetieren und vergebens auf Gottes Hilfe hoffen. Sein Pakt mit dem Satan resultiert aus der simplen Erkenntnis, daß das Böse ohnehin schon seit langem gesiegt hat und einige seiner Überlegungen zum Lauf der Welt erscheinen durchaus nicht abwegig. Auch optisch ist Masque Of The Red Death ein herausragender Film: Roger Corman verband hier Poes Phantasie mit Inspirationen, die er aus Ingmar Bergmans Klassiker Das siebente Siegel zog, und erschuf - nicht zuletzt dank der wunderbaren Arbeit des des britischen Kameramanns Nicolas Roeg - das bisher kunstvollste Kapitel seiner Poe-Reihe. Die Ausstattung wurde mit viel Liebe zum Detail gefertigt; so gibt es in Prosperos Schloß, der Vorlage getreu, natürlich die sieben verschiedenfarbigen Gemächer, außerdem aber auch eine bizarre Uhr, die auf The Pit And The Pendulum anspielt. Kostüme, Kulissen, ja sogar die immer farblich passend gewählten Kerzen, die den Palast erleuchten, verbinden sich zu verschwenderisch bunten Impressionen, die in Kontrast zu den nebelumfluteten (Studio-)Landschaftsszenen stehen, in denen düstere Grau- und Blautöne vorherrschen. Natürlich tauchen auch hier wieder Cormans psychedelische Stilmittel auf: Als Prosperos Geliebte Juliana (Hazel Court in einer ihrer wirklich besten Rollen) ihre Seele dem Teufel verschreibt, muß sie einen Trank zu sich nehmen, der ihr prompt einen hübsch inszenierten Horrortrip beschert. Anfangs geistert sie noch durch ein nebliges Nirvana, plötzlich findet sie sich jedoch auf einem Opferaltar wieder und aus dem Dunkel vor ihr tauchen nacheinander verschiedene Priester versunkener Kulturen auf, die sie ein ums andere Mal rituell töten. Diese Szenen, in denen Hazel Court sich mit einem scheinbar durchsichtigen Gewand auf dem Altar räkelt, wurden damals übrigens in der britischen Version des Films entfernt. Die nicht aussterbende Zunft der Zensoren war 1964 eben noch leichter erregbar als heutzutage …

1965:
Tomb Of Ligeia (Das Grab der Lygeia)

England, Anfang des 19. Jahrhunderts: Verden Fell hat den Tod seiner geliebten Frau Ligeia nie verwunden und lebt mit einem alten Diener zurückgezogen in einer halbverfallenen, ehemaligen Abtei. Eines Tages lernt er jedoch Lady Rowena kennen und obwohl er anfangs ihre Gesellschaft scheut, verliebt er sich in sie und heiratet erneut. Doch als er nach der Hochzeitsreise mit ihr in die Abtei zurückkehrt, dauert es nicht lang und seltsame Dinge geschehen: Rowena wird von einer geheimnisvollen schwarzen Katze terrorisiert, leidet an Alpträumen und ihr Mann verschwindet Nacht für Nacht in irgendeinem geheimen Kellergewölbe. Ligeia, die dem altägyptischen Ewigkeitskult huldigte, hat nach wie vor Macht über den Willen ihres Witwers …

Roger Corman, der in einer weiteren Ausreizung des Poe-Themas längst keine künstlerischen Perspektiven mehr sah und Angst vor permanenten Selbstzitaten hatte, beschloß den Zyklus zu beenden und legte mit Tomb Of Ligeia ein Abschiedswerk vor, das heute wohl als der absolute Höhepunkt der Reihe betrachtet werden kann. Das von Robert Towne (der später auch Polanskis Chinatown schrieb) verfaßte Drehbuch ist ein psychologisch verschachteltes Gothic Horror-Melodram, in dem sich wesentliche Elemente der Poe-Vorlage wiederfinden - so z. B. der Tod der schönen Geliebten und deren Wiederkehr im Körper ihrer Nachfolgerin, und die alte Abtei als Ort der Handlung. Die nekrophile Thematik der Erzählung wird hier jedoch noch weiter ausgebaut und die Obsession des Protagonisten ruft durchaus Erinnerungen an Hitchcocks Vertigo wach. Vincent Price verkörpert diesen Antihelden behutsam, mit viel Einfühlungsvermögen und Verzicht auf jegliche Theatralik: Sein Verden Fell erscheint als ein unterkühlter, fragiler Ästhet; von Kopf bis Fuß in Schwarz, die Augen hinter einer undurchdringlichen dunklen Brille verborgen, lebt er inmitten einer Unmasse antiker Altertümer in einer halbverfallenen Abtei und zieht die Gesellschaft seiner Kunstschätze der anderer Menschen vor. In seiner Übersensibilität und seiner Weltflucht erinnert er an Roderick Usher, ist aber zugleich ein viel diffiziler gestalteter Charakter, hinter dessen beherrschter Maske sich eine obsessiv-leidenschaftliche Natur verbirgt. Anders als Usher ist Fell durchaus willens, aus seinen selbstgewählten Fesseln auszubrechen, nach der Heirat mit Rowena (hervorragend dargestellt von Elizabeth Shepherd, die zugleich auch Ligeia verkörperte), scheint ihm dies sogar für kurze Zeit zu gelingen. Doch Ligeia hält ihn über ihren eigenen Tod hinaus in ihren Bann. Es beginnt ein bizarres Dreiecksverhältnis zwischen Fell, Rowena und der toten Geliebten, deren Leichnam er in einem geheimen Gemach aufbewahrt - und die Toten scheinen schließlich die Oberhand über die Lebenden zu gewinnen.
Tomb Of Ligeia wurde, wie auch ein Jahr zuvor Masque Of The Red Death, in England gedreht und brachte ein absolutes Novum in den Poe-Zyklus ein: Erstmals gab es ausgedehnte Außenaufnahmen und Sonnenlicht. Dies widersprach eigentlich Roger Cormans bislang konsequent beibehaltenem Konzept der gewollten Künstlichkeit: "Freud mag wissenschaftlich genau dasselbe Thema erforscht haben, das Poe oder Baudelaire zuvor auf eine künstlerische Art verarbeitet hatten. Ich glaube, daß Poe die Macht und den Einfluß des Unterbewußtseins erkannt hatte. Für mich war die beste Art, das Unbewußte darzustellen, immer ein artifizieller, an die Grenzen des Studios gebundener Stil. Ich entschied mich also, niemals natürliche Außenaufnahmen zu machen. Wenn ich gezwungen war, das Studio zu verlassen, machte ich normalerweise immer Aufnahmen vom Ozean, denn ich glaube, daß das Meer eine komplexe Symbolik für die Menschen besitzt. … Bis zu Tomb Of Ligeia hielt ich mich in den Poe-Filmen sehr strikt an diese Theorie." Doch zu dieser Zeit suchte der Regisseur längst nach neuen Ausdrucksformen und Stilmitteln. Angeregt von Vincent Price, der sich schon Jahre zuvor gewünscht hatte, einmal einen Film in einer authentischen Ruine zu drehen, recherchierte Corman in britischen Archiven ausgiebig nach geeigneten Drehorten und stellte schließlich eine Liste von über 20 Abteien, Herrenhäusern, Schlössern und Burgen, die sich von England bis in den Norden Schottlands erstreckten, zusammen. An einem Wochenende mietete er sich einen Wagen und suchte in einer Marathontour nacheinander all diese Örtlichkeiten auf. Letztendlich entschied er sich für die alte Norfolk Abbey in East Anglia, eine pittoreske, verfallene Abtei, die in der Regierungszeit Heinrichs VIII. zerstört wurde. Die in dieser Ruine gefilmten Bilder besitzen eine ganz eigene, neue Qualität, die sich stark von den vorangegangenen Poe-Filmen unterscheidet, jedoch enorm zur Gesamtwirkung des Films beiträgt. Wenn die hagere, schwarze Gestalt Verden Fells bei gleißendem Sonnenlicht durch die labyrinthischen weißen Mauern spaziert, wirkt er ebenso wie diese, wie das Relikt einer anderen Welt; die reale Natur tritt hier an die Stelle der Studiolandschaften und unterstreicht hier die surreale Atmosphäre der erzählten Geschichte. Vincent Price bezeichnete Tomb Of Ligeia als seinen persönlichen Lieblingsfilm aus Cormans Poe-Zyklus. Auch die Presse war begeistert, der Film erhielt exzellente Kritiken - die London Times verglich ihn sogar mit Jean Cocteaus Orphée - und Roger Corman bekam erstmals in seiner Laufbahn ernsthafte künstlerische Anerkennung. Doch diesmal hielt der Regisseur sich an seine Vorsätze und dies blieb sein definitiv letzter Poe-Film.

In den folgenden Jahren wandte sich Roger Corman anderen Themen zu, experimentierte mit neuen Stilmitteln und verabschiedet sich 1971 mit dem Kriegsfilm Von Richthofen And Brown (Manfred von Richthofen - Der Rote Baron) von der Regiearbeit, um fortan nur noch als Produzent tätig zu sein. Er gründete New World Pictures und verlegte sich auf die Produktion von billigen Exploitationfilmen, mit deren Erlös er in den USA europäische Kunstfilme in die Kinos brachte (so z. B. Arbeiten von Ingmar Bergman und Federico Fellini). Nach einigen Jahren verkaufte er dieses Unternehmen wieder und gründete Concorde Pictures. Als Produzent gab Corman zahlreichen Regisseuren die erste Möglichkeit, ihre Talente unter Beweis zu stellen und förderte auf die Art u. a. Francis Ford Coppola, Martin Scorcese, Jonathan Demme, James Cameron, Peter Bogdanovich und Joe Dante. 1990 führte er noch ein letztes Mal Regie und drehte den, auf einem Roman des britischen Science Fiction-Autors Brian W. Aldyss basierenden Horrorfilm Frankenstein Unbound. Mit Concorde Pictures ist er heute nach wie vor als Produzent tätig und widmet sich mit Vorliebe schnell fabrizierten B-Movies - Filmen von der Art, mit denen einst seine Karriere begann …

© Thomas Wagner

Quellen:
Lucy Chase Williams: The Complete Films of Vincent Price (Citadel Press, 1995)
David del Valle: Ms. Found on a Cassette: Roger Corman on his AIP Poe Films (Video Watchdog #24, 1994)
David del Valle: A Conversation with Vincent Price (Video Watchdog #11, 1992)

Dieser Artikel erschien übrigens in kürzerer Fassung in dem Magazin Mephisto (#22, März/April 2003) sowie in Auszügen in dem begleitenden Booklet der 2004 von e-m-s veröffentlichten Edgar Allan Poe-3er-DVD-Box.

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