Glassarg und gestürztes Kreuz:
"The Black Cat"

Die Handlung: Ein junges Pärchen ist auf Hochzeitsreise durch Ungarn. Im Zug steigt ein seltsamer Fremder in ihr Abteil; sie werden in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen. Ein phantastisches, im Bauhaus-Stil erbautes Haus, schöne tote Frauen in Schneewittchensärgen, ein zwielichtiger und faszinierender Hausherr, eine schwarze Katze und teuflische Kulte bestimmen das weitere Geschehen.

The Black Cat, entstanden im Jahre 1934, ist nur eine von vielen Kollaborationen des berühmten Paares Karloff und Lugosi. Doch ragt er aus der Menge der übrigen durch eine Tatsache heraus: in diesem Film hatten die beiden zwei völlig gleichwertige Rollen. Bei ihren anderen bekannten Zusammenarbeiten wie z.B. The Raven oder The Body Snatcher hatte stets einer der beiden die Hauptrolle und der andere eine untergeordnete. The Black Cat ist ein wahnwitziger und phantastischer Film, ein faszinierender Vertreter des frühen Horrorkinos und einer der Höhepunkte des Genres überhaupt. Seine faszinierenden, wirkungsvollen Kulissen heben sich von der Masse der im gotischen Schloß-Ambiente angesiedelten Streifen ab: ein übermodernes, kaltes und unmenschlich wirkendes Haus, das direkt aus der Bauhaus-Werkstatt zu stammen scheint, bildet den Hintergrund für das dämonische Geschehen. Die Produktionsfirma Universal hat mit diesem Streifen einen oft zitierten Klassiker geschaffen. Von der Vorlage Edgar Allan Poes ist natürlich außer der schwarzen Katze im Grunde nichts übrig geblieben, deshalb kann The Black Cat auch nicht als Poe-Verfilmung betrachtet werden, wie die späteren Filme Roger Cormans.

Die Handlung des Films dreht sich um Leiden, Rache und Tod, um die Vergeltung erlittener Qualen und pervertierte Überperfektionierung des Tötens. Boris Karloff ist Hjalmar Poelzig, ein düster anmutender Architekt von großem Genie und undurchsichtiger Vergangenheit, der sein hypermodern anmutendes Haus auf den Trümmern der im Krieg zerstörten Festung Marmaros errichtet hat. Béla Lugosi in der Rolle des Dr. Vitus Werdegast, seines Zeichens Psychiater, kehrt an die Stelle zurück, wo er durch den Verrat seines einstigen Freundes Poelzig in 15 Jahre währende Kriegsgefangenschaft geriet, während der er unvorstellbare Qualen erdulden mußte. Nun soll der Verräter zur Rechenschaft gezogen werden. Die Metamorphose des Ortes ist unvollkommen, denn obwohl über der Erde von der alten Festung nichts mehr zu sehen ist, liegen unterhalb die Keller voller Munition und dunkler Geheimnisse. Karloff durchschreitet, satanisch maskiert und mit der schwarzen Katze auf dem Arm, als Hohepriester des Schmerzes den verfluchten Ort. Trotz der modernen Kulisse haben die langsamen, gleitenden Kamerafahrten, von Karloffs sanfter Stimme mit mesmerisierenden Worten begleitet, etwas Schlafwandlerisches. Wie stets geht die Reise in die Unterwelt, aber was anderswo als Sitz eines relativ harmlosen Monsters oder liebenswürdigen Halbwesens diente, wird hier zum Abstieg in die gräßlichen Perversionen zweier aus dem Gleis Geworfener: Nekrophilie, Satanskult und Vivisektion. Es gibt kein übernatürliches Wesen, wie Lugosi es in Dracula noch ein paar Jahre vorher verkörpert hat. Die Protagonisten sind lebende Menschen und das Grauen in der Geschichte ein rein psychisches. Die düstere Wendeltreppe, die in den Keller hinabführt, kreiselt wie ein Schraubengewinde in das Innere des Schreckens.

Unter der Regie von Edgar G. Ulmer blühen die Hauptakteure zu einer meisterlichen Beherrschung ihrer Rollen auf. Die Nebenrollen sind völlig untergeordnet und verblassen neben dem Duell der Giganten Karloff und Lugosi. Jacqueline Wells und David Manners sind das für die damalige Zeit übliche, nichtssagende amerikanische Pärchen, das hilflos im Strudel der Ereignisse verstrickt wird. David Manners als "typisch nutzloser junger Held" fällt sogar in Ohnmacht, anstatt seine Frau zu retten. Die Rettung muß ein anderer erledigen, natürlich der ältere und erfahrenere Lugosi.
Die Kamera von John Mescall ist fließend, mobil, entwickelt manchmal beinah schon ein Eigenleben. Man hat der Kameraarbeit Mescalls vorgeworfen, daß sie gar "in ihren Effekten zu eitel" gewesen wäre (Everson, Klassiker des Horrorfilms). Gekonnt eingesetzte visuelle Effekte - beispielsweise eine Daunendecke, die über ein Bett gezogen wird und eine Schwarzblende ermöglicht; Schärfenverlagerung innerhalb einer Einstellung, die ein Detail im Bild unterstreicht - verhelfen The Black Cat zu optischer Eleganz und moderatem, angemessenem Tempo. Für die nötige stimmungsmäßige Unterstützung sorgen, von Heinz Roemheld adaptierte, klassische Musikstücke, die man anstelle einer modernen Filmmusik verwendet hat. Die Betonung der Nicht-Farbe Schwarz spiegelt die innere Situation des Filmes und seiner Gestalten: schwarze Kleider, schwarze Katzen, sogar Karloffs schwarzer Lippenstift. Es ist eine rabenschwarze und bitterböse Geschichte ohne eine starke positive Heldenfigur, mit der das Publikum sich identifizieren könnte: der Schrecken ist unvorhersehbar, nur daß Karloff und Lugosi am Schluß werden sterben müssen, ahnt man natürlich.

Béla Lugosi war im Jahre 1935 auf der Höhe seines Ruhms, den Dracula ihm 1931 eingebracht hatte. Er konnte es sich leisten, wie eine eitle Diva aufzutreten. Sein Glaube an seine eigene Unfehlbarkeit und sein Genie muß zu dieser Zeit noch ungebrochen gewesen sein. Es ist eine Freude, ihm beim Spielen zuzusehen: eitel, gönnerhaft, mit weltmännischer Grandezza absolviert er die Verkörperung des wirren Psychiaters, der vor Katzen eine Todesangst empfindet. Allein beim puren Anblick einer schwarzen Katze im Wohnzimmer seines "alten Freundes" Poelzig packt Dr. Werdegast eisiger Schrecken; ein rasch geworfener Brieföffner befreit ihn zunächst scheinbar vor der Anwesenheit des gehaßten Tieres. Wie uns einige Szenen später Hjalmar Poezig mit eigenen Worten erklären wird, ist "die schwarze Katze die Verkörperung des Bösen; und wie das Böse selbst ist sie unsterblich". Karloffs sanfte, weiche Stimme mit dem leichten Lispeln gibt den Worten eine bisher unbekannte, tiefer reichende Dimension. Wir schaudern unwillkürlich vor ihrer verbotenen Bedeutung.
Auch Boris Karloff hat zur Entstehungszeit von The Black Cat schon großen Ruhm genossen. Sein Frankenstein-Monster aus dem Jahre 1931 war dem schauderwilligen Publikum noch in sehr guter Erinnerung. Zu welch vielseitiger und differenzierter Darstellung er in der Lage war (etwas anders als Lugosi war er sehr wohl fähig, die verschiedensten Charaktertypen zu verkörpern), beweist Karloff uns hier aufs Deutlichste. An seinem Hjalmar Poelzig ist kein gutes Haar. Er ist eine der bösesten Rollen, die Karloff je gespielt hat. In den von gräßlichen Erinnerungen vollen Kellern der ehemaligen Festung befinden sich die Trophäen und Opfer von Poelzigs teuflischem Treiben: Frauen, scheinbar für die Ewigkeit konserviert, strahlen in aufrecht hängenden Glassärgen wie die bunten Schmetterlinge in einer Sammlung. Auch Werdegasts Frau ist darunter, er wird sie, von Poelzig geführt, in ihrer Kiste erblicken. Ein großer Augenblick für Lugosi, in dessen Augen auch tatsächlich Tränen stehen, als er den Kopf zu dem Schneewittchensarg seiner geliebten Frau hebt. Was er nicht weiß, ist, daß seine Tochter - der Mutter zum Verwechseln ähnlich - inzwischen ebenfalls Poelzigs Frau ist und oben in einem verschlossenen Schlafzimmer wartet. Durch die nicht ausbleiben könnenden Indiskretionen des frischverheirateten Pärchens kommt es zu einer Katastophe, und Poelzig bringt auch Werdegasts Tochter um. Während er mit einer unwiderstehlichen Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, in die sich wie ein angsteinflößender Beigeschmack seine fühlbar böse Absicht hinter der zivilisierten Maske mischt, das junge Paar in seinem Haus festhält, beginnen die Vorbereitungen für eine Schwarze Messe. Es kommt zu einem Zweikampf zwischen den alten Feinden: eine Partie Schach soll über das Schicksal der jungen Frau entscheiden, an der Poelzig ein unmißverständliches Interesse gefaßt hat. Es kommt, wie es kommen muß: Werdegast verliert das Spiel.
Es sollen übrigens ursprünglich einige Szenen gedreht worden sein, in denen Dr. Werdegast die Bewußtlosigkeit der bei einem Autounfall verletzten Jungvermählten ausnützt und sich auf sie stürzt. Béla Lugosi bestand jedoch darauf, daß diese Szenen aus dem Film geschnitten werden mußten. Er war der Ansicht, daß ein solches Handeln der Publikums-Sympathie für den "positiven Helden" Dr. Werdegast geschadet hätte. Ein allzu positiver Held ist jedoch auch er nicht, dafür ist er viel zu offensichtlich von Sinnen. Sein manischer Haß gegen Poelzig treibt ihn am Schluß zum Äußersten: nachdem die junge Frau von dem gestürzten Kreuz, das die Stätte ihrer Opferung darstellen sollte, befreit wurde, überwältigt Dr. Werdegast seinen alten Feind im Keller und zieht ihm bei lebendigem Leibe die Haut ab. Am Schluß wird die ganze Festung mit der dort immer noch lagernden Munition in die Luft gesprengt. Wieder einmal ist das Böse vom Antlitz der Erde getilgt.
Aber die Abgründe der menschlichen Psyche sind schier unergründlich...

© M. Angerhuber

Daten zum Film:

THE BLACK CAT
USA 1934, schwarzweiß, ca. 65 min
Regie: Edgar G. Ulmer
Buch: Peter Ruric, Edgar G. Ulmer
Kamera: John Mescall
Schnitt: Ray Curtis
Musik: Heinz Roemheld
Darsteller: Boris Karloff (Hjalmar Poelzig), Béla Lugosi (Dr. Vitus Werdegast), Jacqueline Wells (Joan Alison), David Manners (Peter Alison), Egon Brecher (Majordomo), Lucille Lund (Karen Werdegast)

Quellen:
W. K. Everson, "Klassiker des Horrorfilms", Hans Schifferle: "Die 100 besten Horrorfilme" (Heyne, 1994), Gary J. Svehla, Susan Svehla (Hg.): "Bela Lugosi" (Midnight Marquee Press, 1995)

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