ie eine,
die ganz schief dasaß, erzählte mir Dinge. Natürlich bewegte sich
ihr weicher und sorgfältig genähter Mund nicht, keiner ihrer Münder
bewegt sich, wenn ich sie nicht dazu bringe. Dennoch kann ich sie immer noch verstehen,
wenn sie etwas zu sagen haben, was ziemlich oft der Fall ist. Sie haben Dinge
erlebt, die niemand glauben würde.
Und sie sind überall in meinem Zimmer verteilt. Die eine liegt auf
dem Boden, flach auf ihrem kleinen Bauch, den Kopf auf ihren verschränkten
Händen aufgestützt, und ein winziger Fuß wippt hinten in der Luft.
Eine andere hat sich faul auf einem leeren Regalbrett hingelümmelt, lehnt
auf dem Ellbogen, ein dünnes Stoffbein zugespitzt wie ein Dreieck. Sie sind
auch überall sonst: Im Kamin, den ich niemals anzünden würde; in
meinem bequemsten Sessel, der gegen sie riesenhaft wirkt; sogar unter meinem Bett,
eine große Anzahl von ihnen, ebenso wie im Bett. Ich nehme für gewöhnlich
einen kleinen Hocker in der Mitte des Zimmers ein, und das Zimmer ist immer sehr
ruhig. Andernfalls wäre es schwierig, ihre Stimmen zu hören, die schwach
und leicht heiser klingen, wie man von solchen Kehlen wie den ihren vielleicht
erwarten würde.
Wer sonst würde ihnen zuhören und bekunden, was sie durchgemacht haben?
Wer sonst könnte ihre Ängste verstehen, so unbedeutend diese bisweilen
auch scheinen mögen? Bis zu einem gewissen Grad sind sie also von mir abhängig.
Geduldig horche ich auf Lebensgeschichten und Anekdoten aus Existenzen jenseits
des Begriffsvermögens der meisten anderen Menschen. Niemals, so glaube ich,
habe ich ihnen einen Anlaß zu dem Gefühl gegeben, daß auch nur
die feinste Schattierung ihrer Ängste, die geringfügigste Nuance ihrer
Kümmernisse nicht von mir zur Kenntnis genommen wurde und mitfühlende
Entschädigung erntete.
Spreche ich jemals mit ihnen über mein eigenes Leben? Nein; das heißt,
nicht seit einem bestimmten Vorfall, der sich vor einiger Zeit ereignete. Bis
heute weiß ich nicht, was da über mich kam. Gedankenabwesend fing ich
an, irgendeine triviale Sorge zu beichten, ich habe vollkommen vergessen, was
es war. Und im selben Augenblick verstummten all ihre Stimmen unvermittelt, jede
einzelne, und hinterließen ein unerträgliches Vakuum des Schweigens.
Schließlich begannen sie wieder mit mir zu sprechen, und alles war wie zuvor.
Aber ich werde nie dieses Intervall von schrecklicher Stille vergessen, ebenso
wenig wie ich den Ausdruck grenzenloser Bösartigkeit auf ihren Gesichtern
vergessen werde, der mich seither schweigen läßt.
Sie, natürlich, fahren fort zu erzählen und zu erzählen … auf Fensterbrett
und Regal, Boden und Sessel, unter dem Bett und in ihm.
© Thomas Ligotti
Übersetzung: Monika Angerhuber, 2000
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Illustration © Thomas Wagner, 2001