THE GRIMSCRIBE IN CYBERSPACE
Interview mit Thomas Ligotti, geführt von John B. Ford
April 2000


JBF: Willkommen, Mr. Ligotti. Es ist ziemlich dunkel und kalt hier drinnen. Ich habe direkt das Gefühl, daß wir uns soeben in die dunkelste Zone des Cyberspace begeben haben, die jemals jemand zu finden hoffen konnte. Ich finde, es ist ein ziemlich unheimliches Gefühl, wenn man bedenkt, daß diese Zusammenkunft von Intelligenzen hier für immer eingefroren bleiben wird und die Leute sich diese Interaktion unserer Geister anschauen werden, wenn wir unser eigenes Augenmerk schon längst wieder auf andere Dinge gerichtet haben. Ich schätze, es ist so ähnlich wie Fußspuren im Sand zu hinterlassen, obwohl es in diesem Falle mehr passen würde, von der dunklen Seite des Mondes zu sprechen. Etwas, das ich seit einigen Jahren am eigenen Leib erfahre, ist eine tiefverwurzelte Angst vor dem Tod, und so fasziniert es mich, daß Ihre Geschichten oft darauf hindeuten, daß Sie sich offenbar nach Auslöschung sehnen. Das ist so, als wenn ein extrem komplexer und talentierter Geist sich wünscht, nichts weiter als eine Wolke von Dampf zu sein, die in Kürze ins Nichts verschwinden wird. Warum veranlaßt diese physische Existenz Sie so sehr dazu, sie zu verabscheuen, und glauben Sie nicht daran, daß es eine spirituelle Existenz gibt, wenn der menschliche Körper erst einmal erkaltet ist?

TL: Ich habe vor langer Zeti herausgefunden, daß es sinnlos ist, irgendjemanden davon überzeugen zu wollen, daß sie alle besser dran wären, wenn sie nie geboren worden wären. Wenn jemand dies nicht von selbst so sieht, gibt es nichts, was irgendjemand sagen könnte, um seine Perspektive zu verändern, und es wäre ein närrisches Unterfangen, es zu versuchen. Was eine postmortale spirituelle Existenz betrifft, so denke ich, daß ich dafür zuerst einmal glauben müßte, daß es so etwas wie einen spirituellen Teil des menschlichen Wesens gibt, und das tue ich nicht. Ich kann mir nicht mal vorstellen, daß ein Leben nach dem Tod etwas anderes als ein Alptraum sein könnte, wahrscheinlich sogar ein weitaus größerer als die harte Gegenwart, die wir jetzt erleben. Warum bringe ich mich also nicht gleich um? Keiner, der so etwas fragen würde, würde die Antwort darauf verstehen.

JBF: Autoren wie Lovecraft und Hodgson waren die ersten, die die Aussage verbreiteten, daß das Universum der Menschheit gegenüber absolut gleichgültig ist. Ich wüßte gern, was Sie denken, ob Sie an eine omnipotente Intelligenz (nennen Sie sie meinetwegen Gott) glauben, die hinter dem Universum steht? Ich bin sicher, daß Lovecraft von solchen Vorfällen wie Roswell und anderen in jüngerer Zeit fasziniert gewesen wäre. Glauben Sie, daß die Menschheit allein auf disem großen bunten Ball in der Finsternis ist, oder glauben Sie an andere intelligente Lebensformen da draußen?

TL: Ich glaube, Lovecraft hätte sich auch ganz exzellent der Selbstmordkult-Welle in jüngerer Zeit bedient, ganz zu schweigen von den Alpträumen der Technologie. Was die Sache mit Gott betrifft, so kommt es mir bizarr vor, daß man mir so eine Frage überhaupt stellt. Ich weiß, daß es Geisteszustände gibt, in denen jeder fähig ist, an alles mögliche zu glauben, z. B. an ein Leben nach dem Tod oder eine Seele oder Gott, aber ich habe schon seit einiger Zeit so einen Geisteszustand nicht mehr erlebt. Selbst zu den Zeiten, als ich an einen Gott glaubte oder zumindest glaubte, daß ich es glaubte, habe ich nie das Gefühl gehabt, daß da wirklich etwas Wahres dran war. Und zum Thema intelligente Lebensformen in anderen Bereichen des Universums -- es ist mir schlichtweg egal, so oder so. Ich kann mich nicht dazu bringen, daß ich das Gefühl habe, daß es einen Unterschied macht. Ich erinnere mich daran, wie mein jüngster Bruder etwas Lustiges über dieses Thema sagt. Er ist ein großer Sportfan, und um seine Hingabe zum Football kundzutun, sagte er einmal, wenn eine Landung von Außerirdischen auf dem einen Kanal übertragen werden würde und Monday Night Football auf dem anderen, würde er sich das Footballspiel anschauen und die Alien-Landung auf Video aufnehmen. Ich glaube, ich würde mir wahrscheinlich die Alien-Landung anschauen, weil ich kein Football-Fan bin und es am Montag keine vernünftigen Fernsehsendungen gibt. Ich erinnere mich, wie ich völlig entmutigt war, als ich hörte, daß unter der Eisoberfläche eines der Monde des Jupiter vielleicht organische Lebensformen existieren. "Da geht eine weitere wunderbare Wüste dahin, die völlig unbefleckt war von den Umtrieben kreatürlicher Existenz", dachte ich mir in einer Stimmung relativer Distanziertheit.

JBF: Ich fände es interessant, herauszufinden, auf welche Art Sie eine Kurzgeschichte schreiben. Meine Methode ist es, eine Geschichte als eine Reihe von Visionen zu betrachten, fast wie einen Film, der in meinem Kopf projiziert wird. Ich frage mich, ob es für Sie genauso ist? Machen Sie Notizen und schreiben Sie einen Entwurf für die Story, an der Sie arbeiten, oder lassen Sie sie einfach aus Ihrem Geist fließen?

TL: Natürlich sehe ich bis zu einem gewissen Grad geistige Bilder von dem, was ich schreibe, aber es ist nicht die Art von "Film im Kopf", wie ihn -- wie ich glaube -- die meisten Horrorschriftsteller erfahren. Ich ziehe Standbilder bewegten vor -- Fotografien sind mir lieber als Filme. Ich finde es schwierig, als Leser ein Buch in meinem Kopf "nachzuspielen", was einer der Gründe dafür ist, daß ich niemals herkömmliche Romane lese: alles kommt nur so verschwommen und vage heraus -- speziell wenn irgendeine Aktion beschrieben wird. Ich weiß, daß viele Horrorautoren sich bemühen, ihre Worte transparent zu machen, sozusagen, um ihren Erzählungen eine verstärkte Wirkung von Realismus zu verleihen. Aber das funktioniert bei mir einfach nicht. Wenn an den Worten, die sie verwenden, nichts Interessantes ist, dann gibt es für mich als Leser nichts zu entdecken. Ich mache mir Notizen, bevor ich eine Story schreibe, ebenso währenddessen. Aber ich neige dazu, eine Story mehr als einen Essay als ein Werk der Fiktion zu betrachten. Ich denke mir eine Handlung aus wie eine Reihe von Aussagen, die einen Sinn ergeben sollen. Ich würde mich verloren fühlen, wenn ich meinen Geist nur durch eine Story mäandern lassen würde, obwohl ich weiß, daß das bei anderen Autoren ganz gut klappt. Es sieht so aus, als ob es Spaß machen könnte, so zu schreiben.

JBF: Was glauben Sie, wieviel Einfluß hat eine Story über den menschlichen Geist, während die Person sie liest? Ich weiß, daß Sie die Ansicht vertreten, daß jemand, der ein Buch liest, eine Art Flucht begeht, um sich selbst für eine Weile von all der Grausamkeit der Welt zu befreien (und ich stimme zu), aber hat der Autor für diesen Zeitraum wirklich die volle Kontrolle über die Gedanken des Lesers und die Gefühle, die dieser empfindet? Oder verliert die Vision eines Autors ihre wahre Kraft, die sie dazu benötigen würde, während der Übertragung auf einen anderen Geist?

TL: Obwohl die Erfahrung des Lesens sehr wichtig für mich war, glaube ich nicht, daß jemals etwas geschrieben wurde, das die Art von Macht ausüben könnte, die Sie wohl damit meinen. Für mich ist Lesen eine Art milde Partydroge, eine Ablenkung und nichts weiter. Versuchen Sie, Ihren Lieblingsautor zu lesen, wenn Sie schlimme Kopfschmerzen haben oder eine Erkältung, das ist eine gute Methode, um die Grenzen der Literatur herauszufinden. Sie bietet wirklich nicht viel Hilfe -- nur für Leute, die in einigermaßen guter Gesundheit sind, um sich die Zeit damit zu vertreiben. Mit anderen Worten, ich glaube nicht an Literatur als eine Form von Magie oder persönlicher Rettung.

JBF: Im Lauf der Jahre bin ich Zeuge von einigen Vorkommnissen geworden, die ich nicht erklären kann. Vielleicht spreche ich jetzt über das Übernatürliche, aber ich mag dieses Wort nicht gern benutzen, weil die Leute dann sofort an die Conan Doyle-Ära denken und all den simulierten Spiritualismus, der zu jener Zeit getrieben wurde. Aber was würden Sie davon halten, wenn jemand Ihnen erzählte, daß er wirklich solche Sachen wie Glühlampen erlebt hat, die explodieren, auch wenn sie gar nicht eingeschaltet sind, oder frische Blumen, die in einer Vase über Nacht sterben, und ähnliche Dinge. Glauben Sie, daß so etwas von einer eigenen Kraft des menschlichen Gehrins kommt, oder eher von etwas außerhalb, das wir noch nicht verstehen? Haben Sie jemals selbst solche Erlebnisse gehabt?

TL: Ich habe mal einen Kurs in etwas gemacht, das Silva Mind Control hieß. Das war damals in den frühen Siebzigern. Es ging darum, das sogenannte eigene psychische Potential zu entwickeln. Jeder in der Gruppe hat mit Erfolg irgendeine Art von paranormalem Kunststück ausgeführt. Ich habe selbst die Krankheiten von verschiedenen Leuten diagnostiziert, die ich nie zuvor gesehen hatte. Es machte einigermaßen Spaß und ich glaube, daß ich damals auch ein bißchen verwundert war, aber es hat mein Leben nicht verändert. Ich weiß, daß solche Erlebnisse auch mit nicht-paranormalen Mitteln hergestellt werden können, was nicht notwendigerweise die Stichhaltigkeit des Paranormalen an sich widerlegt. Ich bin mir sicher, daß immerzu irgendwelche wirklich merkwürdigen und unerklärlichen Sachen passiert sind. Wenn mir also jemand von explodierenden Glühlampen und frischen Blumen erzählen würde, die in der Vase verwelken, dann würde ich ihn erstmal beim Wort nehmen, daß diese Dinge passiert sind, und weitergehen. Das sind keine unerklärlichen Geschehnisse von wirklich großem Umfang. Diese Welt ist definitiv ein merkwürdiger Ort, und es gibt viele unbekannte Dinge auf ihr. Jedermann weiß das. Nehmen Sie mal an, daß alle paranormalen und übernatürlichen Phänomene, von denen Sie je gehört haben, für wahr erklärt werden -- Entführungen durch Außerirdische, Geister, was Sie wollen. Dann wären sie nicht mehr paranormal oder übernatürlich -- sie wären nur mehr von dem, was die ganze Zeit auf der Welt passiert. Ich weiß, daß eine Menge Leute denken, daß es einen großen Unterschied macht, ob diese Dinge wirklich sind oder nicht, aber das tut es nicht. Man muß seinen Körper immer weiter rund um diese Welt schleppen, so lange, bis man stirbt. Und wenn man nach dem Tod weiterlebt, dann lebt man eben in einer anderen Welt weiter ... und wenn es schon darauf hinausläuft, dann ist die eine Welt so ziemlich die gleiche wie die andere. Versuchen Sie sich nur mal eine andere Realität vorzustellen, die mehr ist als nur eine Kopie von dieser. Das können Sie gar nicht. Wenn Sie das könnten, dann würde das auf äußerst interssante Fiktion hinauslaufen. Aber alle Horrorgeschichten basieren auf der Erzeugung eines subjektiven Gefühls für Merkwürdigkeit. Sie haben daher auch niemals bislang unbekannte Lebenszustände beschrieben, auch wenn sie oft Andeutungen in dieser Richtung machen. Aber alles, was Horrorgeschichten tun können, ist andeuten.

JBF: Es ist offensichtlich, daß viele von Ihren Geschichten ihre Wurzeln tief in Ihren persönlichen Alpträumem haben. Sind Ihre Träume jemals eindeutig, oder werden Sie nur als Zuschauer mitgetragen?

TL: Ich hatte nur ein paar eindeutige Träume, als ich ein Kind war, seitdem nicht mehr. Ich hatte vor ein paar Jahren einen Außerhalb-des-Körpers-Traum, nachdem ich aus Versehen zwei Tassen nicht entkoffeinierten Kaffee getrunken hatte, bevor ich einschlief. Ich schlief auf dem Sofa ein, und mein Traumkörper schwebte im Wohnzimmer herum. Hey, vielleicht war das eine echte Außerhalb-des-Körpers-Efahrung. Kaffee als Tor zu einer anderen Welt -- wie bei LeFanus "Grüner Tee".

JBF: Es heißt, daß wir in zwanzig Jahren die Technologie besitzen werden, um Träume (oder Alpträume) aufzuzeichnen und anderen Leuten vorzuspielen. Vielleicht klingt das heute weit hergeholt, aber wenn Sie mal bedenken, wie die Leute jetzt schon Mobiltelefone und Computer fast als Erweiterung ihres eigenen Körpers benutzen, dann ist es das vielleicht doch nicht. Die Technologie entwickelt sich unbeschreiblich schnell, und die Öffentlichkeit heißt alles Neue gern willkommen. Sehen Sie eine Zeit kommen, in der die Träumer von heute die Macher innerer Filme von morgen sein werden?

TL: Ich habe nie darüber nachgedacht. Aber jetzt, da Sie es ansprechen, würde ich wetten, daß ein Videotape von irgendjemandes Traum mehr Sinn ergeben würde als die meisten Filme, die momentan herauskommen.

JBF: Werden die Menschen je in der Lage sein, eine virtuelle Bibliothek der Träume zu entwickeln und sich darin einzustöpseln, um der Unterhaltung willen?

TL: Wenn es jemals soweit kommen sollte, bin ich sicher, daß Werbesendungen und Anzeigen zwischen unseren Träumen vom Fliegen oder wie uns ein Moster jagt eingefügt sein werden.

JBF: Ich habe festgestellt, wieviele Horrorautoren früh und unter tragischen Umständen sterben. Nur um eine Handvoll zu nennen: Schulz, Hodgson, Lovecraft, Poe, Maupassant, Grabinski etc. Das macht mir ein bißchen Kopfzerbrechen, weil ich mir darüber klar geworden bin, daß ich Geschichten schreibe, die mindestens so dunkel sind wie die von diesen Leuten, und ich denke, es könnte eine Gefahr darin enthalten sein. Ich spreche von dem Gesichtspunkt aus, daß ich jetzt schon mit Betablockern und Antidepressiva nehme, um dem Leben ins Gesicht sehen zu können. Glauben Sie, daß eine Gefahr darin liegt, intensive Horrorgeschichten in dieser Art zu schreiben, oder glauben Sie, daß es eher so ist, daß man etwas aus sich heraustreiben muß -- als wenn man es auf die Welt losläßt, damit sie an eigener Stelle damit fertigwerden?

TL: (stellt die Antwort auf diese Frage einen Moment lang zurück) Ich habe nie Betablocker genommen. Finden Sie sie sehr wirksam?

JBF: Ja, das ist eine Droge, die man benutzt, um den Blutdruck zu senken, aber sie hat auch den Effekt, den Pulsschlag zu verlangsamen. Mein Herz schlägt zu schnell, das liegt an der starken Angst, an der ich oft leide, und ich nehme Betablocker, um das zu verhindern. Sie sind sehr effektiv, aber ich kann sie nur in Verbindung mit Antidepressiva ertragen. Wenn ich sie ohne alles nehme, gerät mein Magen vollkommen durcheinander.

TL: Wie vertragen sie sich mit den Antidepressiva?

JBF: Sehr harmonisch in meinem Fall, andernfalls würde ich wohl schon seit 4 Jahren Blumen auf dem Friedhof wachsen lassen. Es muß irgendwas darin sein, das den Hunger anregt, und in meinem Fall verhindert das auch die widrigen Magenprobleme, die von den Betablockern verursacht werden.

TL: Ich finde, daß Tranquilizer und eine sehr niedrige Dosis von Antidepressiva die beste Kombination für Angstneurosen und Panikattacken sind. Antidepressiva allein bringen es nicht, wenigstens bei mir nicht. Aber um auf die Frage zu antworten, ich glaube, daß jede Art von Schreiben physisch sowohl wie psychisch schädlich ist, aber ich glaube nicht, daß das Schreiben von Horrorgeschichten schädlicher ist als das Schreiben irgendwelcher anderer Geschichten. Keiner sollte Schreiben oder irgendeien andere Art von intensiver geistiger Arbeit betreiben, wenn er es vermeiden kann. Ich weiß, daß das pervers klingt, aber denken Sie nur mal daran, daß das meiste, wozu wir als menschliche Wesen getrieben werden -- besonders Aktivitäten, die wir als "Spaß" betrachten -- uns seinen Tribut abverlangt. Das Schreiben verursacht bei mir ohne Unterschied immer einen unbeschreiblich aufgewühlten und erschöpften Zustand und verursacht mir Verdauungsbeschwerden. Es gab schon Gelegenheiten, da wollte ich irgendeine Gewalttat verüben und schrieb statt dessen eine Horrorstory, die von meinen gewalttätigen Impulsen genährt wurde. Aber danach fühlte ich mich nicht im mindesten friedlicher. Ich habe nie das Gefühl gehabt, daß ich irgendetwas losgeworden wäre, indem ich eine Horrorstory schrieb. Wenn überhaupt, dann glaube ich, daß das Schreiben das Gefühl noch verschlimmert, durch das man zuerst zum Schreiben getrieben wurde.

JBF: Erzählen Sie uns etwas über Ihre letzte Kooperation. Momentan sind ja alle in heller Aufregung, weil wir gehört haben, daß Sie ein Filmdrehbuch nach "The Last Feast Of Harlequin" geschrieben haben. Ich habe gehört, daß die Metaphorik sogar noch bizarrer als in der Geschichte sein soll, stimmt das?

TL: Ich hoffe es. Die Metaphorik in "Last Feast Of Harlequin" ist gar nicht so bizarr -- nur die kreischenden Clownsfratzen-Freaks und die windschiefe Stadt. Und die Würmer. Aber es gibt keine Würmer in dem Drehbuch. Dieses Element diente dazu, in der Geschichte das Hauptthema zu transportieren, und würde in einem Film ziemlich albern aussehen.

JBF: Macht es Ihnen Spaß, an einem Drehbuch zu arbeiten, oder ziehen Sie das Schreiben eigener Geschichten vor?

TL: Ich habe das Skript zusammen mit Brandon Trenz geschriebe, mit dem ich zuvor schon an der X-Files-Episode gearbeitet habe, die vor einiger Zeit auf Thomas Ligotti Online zu sehen war. Es macht ganz bestimmt eine Menge Spaß, wenn man ein Drehbuch mit jemandem zusammen schreibt, während ich das Schreiben von Geschichten niemals besonders spaßig fand. Und wenn das Schreiben eines Drehbuchs schon keinen Spaß macht, dann hat man wenigstens jemand an seiner Seite, der mit einem leidet. Aber keiner von uns hat diese Erfahrung bislang gemacht ... und vielleicht werden wir auch nie an diesen Punkt gelangen, denn wir haben das Drehbuch auf gut Glück geschrieben, und jetzt bleibt uns nur herauszufinden ob die Produktionsfirma denken wird, daß "The Least Feast Of Harlequin" als Filmadaption ein finanziell und künstlerisch realisierbares Projekt ist.

JBF: Ich weiß, daß Sie solche Autoren wie Lovecraft, Schulz, Grabinski, Campbell und Borges verehren, aber ich bin auch neugierig, Ihre Gedanken zu anderen Legenden des Genres zu erfahren. Chambers' kraftvollstes Werk, "The King In Yellow", wird oft mit Ihren Geschichten verglichen, und so frage ich mich, ob er Sie in irgendeiner Form beeinflußt hat.

TL: Ich war nie ein großer Fan von Chambers' "The King In Yellow". Ich mag Lovecrafts Besprechung dieses Buches in Supernatural Horror In Literature viel lieber als das Buch selbst. Ich habe eine Menge der 1890er-Aura absorbiert, die mit "The King In Yellow" in Verbindung gebracht wird, und zwar von anderen Autoren dieser Ära wie Ernest Dowson, Arthur Symons, Aubrey Beardsley, Arthur Machen usw.

JBF: Hodgson's "The House on the Borderland" kommt vielleicht dem Versuch am nächsten, die Erfahrung eines Alptraums in einem Roman festzuhalten, und ich frage mich, ob Sie diesen Roman je gelesen haben und mir zustimmen?

TL: Ich müßte dieses Buch wirklich noch einmal lesen, weil ich es beim ersten Mal kaum geschafft habe, als ich es versuchte. Ich entschuldige mich dafür, daß ich hier so gegenteiliger Meinung bin, weil ich genau weiß, wieviele Fans eine sehr hohe Meinung von dem Roman haben. Ich gebe bereitwillig zu, daß mein Geschmack als Leser sehr schrullig ist und daß jeder meine Meinung sofort vergessen sollte, der mir nicht zustimmen kann.

JBF: Haben Sie solche Autoren wie Shiel, Blackwood und Machen gelesen, und besitzt ihr Werk Anziehungskraft für Sie?

TL: Ich erinnere mich, daß ich Shiels Horrorstories sehr bewunderte, als ich sie vor über zwanzig Jahren las, aber der Rest seines Werks ist von keinem Interesse für mich. Ich habe alle unheimlichen Kurzgeschichten von Blackwood gelesen und schätzte natürlich ihre Kraft und Imagination, obwohl mir grundsätzlich von der heidnischen Weltsicht die Lust daran verdorben wird, die so viel von seinem Werk durchzieht. Ich habe Blackwood im ganzen wieder schätzen gelernt, als ich Michael Ashleys Auswahl seines Werks las, die den Titel "The Magic Mirror" trug. Ich habe Arthur Machen sogar gelesen, bevor ich Lovecraft kannte -- so um 1971 -- und war zunächst von seinen Geschichten angezogen, weil sie mich so an Sherlock Holmes erinnerten. Später lernte ich dann Machens wundervoll gemeine Themen schätzen und seinen Zauber als Prosastylist.

JBF: Ich glaube, Sie haben gerade vor kurzem eine Audiokollektion namens "I Have A Special Plan For This World" veröffentlicht. War das wieder eine Zusammenarbeit mit David Tibet?

TL: Es ist eine 20 Minuten oder so lange CD von Current 93 mit Worten von meiner Wenigkeit: 12 kurze Stücke, die das vom Titel Angedeutete zum Thema haben.

JBF: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus, Mr. Ligotti? Wird es in Kürze für uns eine neue Verlockung geben, in Form einer neuen Storysammlung?

TL: Ich weiß es nicht. Ich habe es nie gewußt. Ich habe keine Kontrolle darüber. Es tut mir leid.

JBF: Und zum Schluß, wie, möchten Sie, daß die Welt sich an Sie erinnert, wenn die Zeit kommt und der schwarze Vorhang sich letztendlich vor Ihren Augen senkt?

TL: Sich letztendlich senkt? Ich will, daß dieser schwarze Vorhang so schnell fällt, daß ich ihn weder fühle noch höre. "Er wußte nicht, was ihn getroffen hat." So, möchte ich, soll mein Grabspruch lauten.

Dieses Interview erschien zuerst im April 2000
in der Sonderausgabe "The Grimscribe in Cyberspace" (a tribute to Thomas Ligotti)
von John B. Fords E-Mail-Magazin TERROR TALES
und wurde uns vom Herausgeber mit freundlicher Genehmigung überlassen.
Übersetzung von Monika Angerhuber.
eMail: John.B.Ford@btinternet.com
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